Zehn Jahre für Vergewaltigungsfolter

■ Hohe Strafen des Landgerichts Berlin für zwei Vergewaltiger / Lebensweg eines Täters resultiert laut Sachverständigen in schwerer psychischer Erkrankung, die „mit der vorhandenen Psychiatrie“ nicht mehr therapierbar sei / Sicherungsverwahrung angeordnet

Aus Berlin Gitti Hentschel

In einer solchen Brutalität sei ihm eine Tat trotz langjähriger Berufserfahrung noch nicht untergekommen, begründete am vergangenen Mittwoch der Vorsitzende Richter Müller der 17. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin ungewöhnlich hohe Haftstrafen von zehn Jahren sowie Sicherungsverwahrung und acht Jahre für zwei 33– und 34jährige Männer wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, schwerer Körperverletzung und gemeinschaftlichen schweren Raubs. Einer der beiden Männer wurde von einem Berliner Anwalt verteidigt, der auch für die taz und andere Alternativprojekte tätig ist. Die geständigen Männer hatten am frühen Morgen des 22. Juli eine 30jährige Frau in ihrer Wohnung überfallen, brutal gefesselt und fast zwei Stunden lang auf kaum vorstellbare Weise mißhandelt, vergewaltigt und gefoltert, indem sie ihr beispielsweise eine Taschenlampe in die Vagina und andere Gegenstände in den After gestoßen haben. Danach nahmen sie aus der Wohnung Geld, einen Cassettenrecorder und Schallplatten mit. Ein Nachbar, durch Schreie aufmerksam geworden, fand die Frau wimmernd unter iher Matrazze, noch immer gefesselt und besinnungslos. Mehr als drei Wochen mußte die schwer verletzte Frau nach einer Operation im Krankenhaus und psychiatrischer Behandlung verbleiben. „Wie kann so etwas passieren“, warf der Richter nach zweitägiger Verhandlung als Frage in der Urteilsbegründung auf - nicht die einzige Frage, die in diesem Verfahren unbeantwortet blieb. Wenn auch im Prozeß Zusammenhänge nicht thematisiert wurden, mag für die Brutalität der Tat eine Rolle gespielt haben, daß beide Männer langjährige „Knastkarrieren“ hinter sich haben, der 34jährige etwa hat sei 1968 nur 19 Monate außerhalb von Heimen und Gefängnissen verbracht. Ihr Opfer war die geschiedene Ehefrau eines früheren Mithäftlings, der ihm „alles“ über seine Frau, eine ehemalige Prostituierte, erzählt habe. In seinen spärlichen Angaben machte der Angeklagte für die Tat einen „Black out“ durch hohen Haschisch– und Alkoholkonsum vor der Tat geltend, den er jedoch als gewohnheitsmäßiger Haschischraucher und Trinker öfter habe. Er sei ohne Bedeutung, denn „bis auf die Tat ist ja noch nichts passiert“. Sein Tatkumpan, vom hinzugezogenen psychiatrischen Gutachter als Mitläufer eingeschätzt, ein unauffälliger, unsicher wirkender Mann, schwieg zu den Vorwürfen vor Gericht - aus Scham– und Schuldgefühlen, so sein Verteidiger - auf den Vorhalt der Nebenklagevertreterin, auch Schweigen beweise, daß die Angeklagten keine Verantwortung für ihr Verbrechen übernähmen. Wegen einer einschlägigen Vorstrafe wegen gemeinschaftlicher sexueller Nötigung präsentierte er sich als Opfer eines „Fehlurteils“ und vermittelte zugleich sein Bild weiblicher Sexualität: Damals habe die Frau, die ebenfalls mit Gegenständen malträtiert wurde, freiwillig mitgemacht. Beiden Angeklagten bescheinigten zwei psychiatrische Sachverständige eine äußerst problematische Kindheit in zerrütteten Familienverhältnissen. Dem 34jährigen, einem überdurchschnittlich intelligenten Mann, bescheinigte einer der Gutachter gar „einen der entsetzlichsten Lebenswege“, die er im Lauf seiner Gutachtertätigkeit kennengelernt habe. Das heutige Resultat daraus: eine „tiefgreifende Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Borderline–Syndroms“, das heißt eine schwere psychische Erkrankung, die „mit der vorhandenen realen Psychiatrie“ nicht mehr therapierbar sei. Daher sei mit weiteren Straftaten zu rechnen. Beim zweiten Angeklagten stellte der Gutachter eine „Hochidealisierung der Mutter“ fest, die ihn immerhin ins Heim abgeschoben habe. Die Folge: eine „ambivalente, Teilweise feindliche Haltung Frauen gegenüber“. Unzurechnungsfähigkeit, die die Verteidigung aufgraund des Haschisch– und Alkoholkon sums für die Tat der beiden Männer geltend machen wollte, sachen die Gutachter nicht für realisitsch an. Gegen den Strafantrag des Staatsanwalts auf elf Jahre und drei Monate sowie Sicherungsverwahrung für den 34jährigen Mittäter plädierte insbesondere taz–Anwalt Johannes Eisenberg mit Schärfe. Unter Hinweis auf die Ursprünge der Sicherungsverwahrung in der NS–Zeit forderte er, seinem Mandanten, der auch nicht schlimmer sei als ein „Schlächter“ aus der NS–Zeit, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und eine niedrigere Strafe auszusprechen, wie sie ja auch Richter aufgrund von „kumpanenhaftem Verhalten“ über NS–Straftäter erhalten hätten. Der betroffenen Frau, die auch von belastenden Verteidigerfragen verschont blieb, sprach Eisenberg sein Bedauern aus. Doch als das Gericht dem Antrag der Nebenklagevertreterin stattgab, die Angeklagten für die Zeit der Aussage der gepeinigten Frau auszuschließen, weil ihr aufgrund von Angst eine Aussage vor den Tätern nicht zuzumuten sei, wandte sich Eisenberg mit Schärfe und Zynismus dagegen: Es genüge „ein Hinweis auf die Saalwachtmeister“, die „in der Lage sind, die Frau zu schützen“. Zitternd, mit sichtlicher Anstrengung und Überwindung beschreib die Frau dann die durchlebte Folter. Ihr Eindruck war: Die Männer hätten daran „totalen Spaß“ gehabt.