Demo–Wochenende in Hamburg

■ Demonstrierende Teilnehmerinnen des „5. Nationalen Hurenkongresses“ trafen auf Fußballfans und einen Zug der GEW / Protest gegen Diskriminierung wegen AIDS

Der polizeiliche Einsatzleiter zeigt sich besorgt: „Auch wenn ich es ausdrücklich begrüße, daß mal eine andere Gruppe als die Hafenstraße ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnimmt - hoffentlich verwechseln sie die Bürger nicht!“ Sie tun es nicht. Längs der „Hurendemo“ bleiben sie gaffend, grinsend, lachend am Straßenrand stehen. Es ist eine kleine, aber feine und fröhliche Demonstration, die in sicherer Entfernung zu den polizeilich besetzten Gebieten in St. Pauli durch das Strich–Viertel rund um den Hauptbahnhof zieht. „Nur ein Dummi fickt noch ohne Gummi“, verkündet Heike, eine der Organisatorinnen des am Wochenende in Hamburg tagenden „5. Nationalen Hurenkongresses“, derweil ihre Kolleginnen die staunenden Passanten mit Parisern und aufklärenden AIDS–Faltblättern beschenken. „Weg mit der Doppelmoral“ und „Nieder mit der Diskriminierung“ fordern Transparente. Auch eine junge Frau in Uniform der St. Pauli–Heilsarmee marschiert eifrig mit: „Ich finde es gut, wenn Frauen sich zusammentun. Gott ist in jedem.“ „Wir wehren uns gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Sündenbockfunktion in bezug auf AIDS“, heißt es auf den Flugblättern zum Hurenkongreß. Die „Solidarität Hamburger Huren“, die ihn organisierte, hatte sich im März dieses Jahres gegründet, als ein vermeintlich angesteckter, vermutlich von der Regenbogenpresse hysterisierter Freier auf der Reeperbahn eine Prostituierte erschossen hatte. Doch der Kampf gegen große und kleine Gauweilers ist nur ein Ziel der rund fünfzig Kongreßteilnehmerinnen. Ein zweites ist die „Gleichberechtigung für Prostituierte“ und die „Anerkennung der Prostitution als Dienstleistung“ inklusive „Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung“. Und: „Wir wollen keine Sperrgebiete“, verkündet eine Frau aus Frankfurt. Heute sind die Polizeibeamten ausgesprochen freundlich zu den Prostituierten - wohl froh darüber, hier und nicht an der Hafenstraße eingesetzt worden zu sein. Die Polizei ist heute überbeschäftigt. Ein Lachen und Gröhlen geht durch den Zug, als er auf 500 Lehrer aus ganz Norddeutschland trifft, die für „eine Stunde weniger Unterrichtsverpflichtung“ demonstrieren. Doch die GEWler mögen sich genauso wenig anschließen wie die blauweißen HSV–Fans, die in der Innenstadt auf das Spiel ihrer Mannschaft mit Werder Bremen warten und angesichts der Huren in blödsinnige „Hamburg Hamburg“ Rufe verfallen. Auch über Radio Hafenstraße wird wegen der Skins unter den HSV– und Werder–Fans auf dieses Spiel hingewisen: „Es wäre gut, wenn da einige Leute hingehen.“ Doch die von manchem befürchteten Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und Hafenstraßen–Demonstranten bleiben zum Glück aus. Nur im Stadion selbst muß die Polizei eingreifen. 16 ärztliche Hilfeleistungen, drei Krankenhauseinlieferungen, zwei vorläufige Festnahmen und zwölf Beschlagnahmungen waffenähnlicher Gegenstände - im Stadion war anscheinend mehr passiert als im gesamten Stadtgebiet. Ute Scheub