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„Der Kern des Problems ist die Apartheid“

■ Kohl reist nach Mozambique, Genscher nach Angola: Im südlichen Afrika ist etwas in Bewegung geraten / Über die Hintergründe der Bonner Diplomatie und die Realität vor Ort - Ein Gespräch mit Klaus Ebeling von der unabhängigen Entwicklungshilfeorganisation „Weltfriedensdienst“

taz: Vor zwei Wochen war Genscher in Angola, jetzt macht Kohl als erster westlicher Regierungschef eine Stippvisite nach Mozambique. Hat sich die Haltung der Bundesregierung zu den früher als sozialistisch verpönten Frontstaaten geändert? Wird eine verstärkte entwicklungspolitische Zusammenarbeit angestrebt? Klaus Ebeling: Die Bundesregierung stellt sich vor, daß Angola und Mozambique nach ihren Erfahrungen mit den sozialistischen Ländern und sozialistischen Experimenten jetzt bereit sind, einen „realistischeren Kurs“ zu verfolgen, und daher als Partner in Betracht kommen. Dies paßt gut zusammen mit der von der Bundesregierung verkündeten Politik, die Frontstaaten zu unterstützen, anstatt sich für Sanktionen gegen Südafrika einzusetzen. Diese Sichtweise klammert aber wesentliche Konfliktbereiche aus. Meines Erachtens ist es völlig unerheblich, ob Mozambique eine sozialistische oder eine liberale Politik verfolgt. Der Kern des Problems ist das Apartheidregime, das alles als kommunistisch bezeichnet, was ihm paßt. De facto ist Mozambique ein „normaler Entwicklungsfall“ wie andere afrikanische Länder auch: Die Landwirtschaft ist unterentwic kelt und wird vom Staat wenig unterstützt. Als Folge davon kommt es zu erheblichen Versorgungsproblemen in Stadt und Land. Sowohl Mozambique als auch Angola (ab 1988) haben sich jetzt entschlossen, mit Hilfe von Weltbankkrediten ihre Wirtschaft nach dem Muster der liberalen Orthodoxie (Abwertung, Einschränkung der öffentlichen Ausgaben) anzukurbeln. Aber auch wenn beide Staaten eine im kapitalistischen Sinn brave Politik verfolgen, wird sich an dem Grundproblem der südafrikanischen Intervention nichts ändern. Hier muß man sich entscheiden; und diesen Mut bringen bundesdeutsche Politiker nicht auf. In der südangolanischen Provinz Cunene ist ständig südafrikanisches Militär stationiert, aber Genscher ist in seiner Rede in Luanda mit keinem Wort auf Südafrika eingegangen. Es wird nur über die Kubaner geredet. Kohl hat in Maputo erklärt, die Abschaffung der Apartheid müsse friedlich verlaufen. Das verkennt völlig, daß Mozambique mit Südafrika im Krieg steht. Südafrikas Marine versorgt die RENAMO–Rebellen und auch die UNITA in Angola, und die Bundesrepublik liefert U–Boote nach Südafrika. Man kann doch nicht gleichzeitig Kriegsmaterial liefern und mit Entwicklungshilfe hinterher die Wunden heilen. Trotzdem ist diese Hilfe in Maputo aber doch willkommen? Sicher. Der Kohl–Besuch wird als Impuls verstanden, dem jetzt konkrete Schritte folgen müßten. Welche Schritte wären das? Zum einen muß die Sicherheit der Entwicklungsprojekte gewährleistet werden, die von der RENAMO attackiert werden. Die Briten zum Beispiel haben schon angefangen, mozambiquanische Soldaten zu trainieren. Frankreich und Spanien haben ähnliche Initiativen im Bereich der Polizei ausbildung gestartet. Dann müssen die Versorgungslinien der Rebellen abgeschnitten werden. Um den Druck auf Südafrika zu erhöhen, reichen die üblicherweise diskutierten Maßnahmen aus: Sanktionen, Kreditstopp, Einwirken auf ausländische Firmen wie Mercedes–Benz, die direkt mit dem Militär zusammenarbeiten. Du hast dich für den Weltfriedensdienst gerade zwei Monate lang in Angola und Mozambique aufgehalten, um Projekte zu besuchen und die Möglichkeiten einer zukünftigen Zusammenarbeit mit Angola auszuloten. Wo läßt die derzeitige militärische Lage überhaupt ein entwicklungspolitisches Engagement zu? Was Mozambique angeht, so arbeiten wir in der Hauptstadt Maputo und in der Nordprovinz Tete. Andere unabhängige Hilfsorgani sationen arbeiten auch in anderen Provinzhauptstädten. Es stimmt, daß Projekte nur in der Umgebung von Städten halbwegs sicher durchgeführt werden können. Es kommt erschwerend hinzu, daß die RENAMO in letzter Zeit ihre Strategie geändert hat. Früher hat sie vor allem den strategisch wichtigen Beira–Korridor mit der Straßen– und Eisenbahnverbindung von Zimbabwe zum indischen Ozean attackiert, neuerdings zielt sie generell auf eine Vertreibung der ländlichen Bevölkerung ab. Dadurch wächst die Abhängigkeit von ausländischer Nahrungsmittelhilfe. Wir merken, daß die Bevölkerung durch diese Hilfe demotiviert wird, sich in ländlichen Entwicklungsvorhaben zu engagieren. Die Hilfe kommt in den Städten an, und wegen der Transportprobleme bleibt sie meist auch da. Die Projekte sind ebenfalls in den Städten. Meine Prognose ist, daß angesichts dieser Situation zusätzlich bewilligte Entwicklungshilfegelder nur mit Schwierigkeiten ausgegeben werden können, wenn die Nachschublinien der RENAMO nicht gekappt werden. Gilt das auch für Angola und die UNITA? Im Prinzip ja. Hier scheint es ja immer so, als ob das ganze Land in Händen der UNITA sei. Das stimmt aber nur für die drei südöstlichen Provinzen, die aber praktisch menschenleer sind. Ferner ist die UNITA entlang der Benguela–Bahn aktiv, die etwa die gleiche Bedeutung hat wie der Beira–Korridor. Das letzte Drittel des Landes gilt als relativ sicher. Allerdings sind neulich auch 120 Kilometer vom Luanda entfernt schwedische Entwicklungshelfer entführt worden. Sind die Kubaner entscheidend für die Aufrechterhaltung der Verteidigungsbereitschaft? Nein. Sie sind wichtig im Ausbildungsbereich. Aber im Gegensatz zur Armee Mozambiques ist das angolanische Heer gut ausgerüstet und wird gut bezahlt. Wenn UNITA–Führer Savimbi nicht von den südafrikanischen Truppen massiv unterstützt würde, wären die Regierungstruppen ohne weiteres in der Lage, allein mit ihm fertig zu werden. Ohne Südafrika würde sich auch die Notwendigkeit einer Anwesenheit von Kubanern anders darstellen. Sie werden übrigens auch nicht als politischer Faktor betrachtet. In Luanda gibt es keine Diskussion über Verhandlungen oder gar eine Machtbeteiligung der UNITA. Es wird diskutiert, wie weit Angola auf die westlichen Länder zugeht. Mit den Anträgen und Aufnahme in den Weltwährungsfonds ist damit der Kurs entschieden. Warum hat Angola das eigentlich nötig. Sie haben doch das Öl... Der Reichtum an Bodenschätzen ist einerseits ein Vorteil, aber er beinhaltet auch eine Gefahr. Für die Partei ist es sehr schwer, der Versuchung zu widerstehen, die Öleinnahmen für persönliche Bedürfnisse auszugeben anstatt für die Entwicklung des Landes. Ich kann hier nur Eindrücke wiedergeben und kein systematisches Urteil, aber ein Faß Öl ist in Luanda heute billiger als ein Ei, für ein Streichholz bekommt man einen Liter Benzin. Gleichzeitig ist die Anzahl der mit Funktionären bestückten Mercedes–Limousinen auf den Straßen im Vergleich zu Maputo beträchtlich. Leute, mit denen ich unterwegs war, reagierten sehr aggressiv auf diese Fahrzeuge, die sich wie bei uns nach dem Motto „eingebaute Vorfahrt“ bewegen. Hier wurden sicher falsche Prioritäten gesetzt. Dazu hat Angola, auf den Ölpreis vertrauend, einen Haufen kurzfristiger Kredite aufgenommen. Heute ist das Land zahlungsunfähig, wenn auch nur kurzfristig. Das klingt nicht sehr hoffnungsvoll. Worauf gründet sich euer Optimismus in der Projektarbeit mit den beiden Ländern? Was Angola betrifft, ist das Land wegen seiner Zahlungsunfähigkeit gezwungen, ein stärkeres Augenmerk auf die landwirtschaftliche Entwicklung zu legen. Es gibt Ansätze, Kleinproduzenten zu unterstützen, und einige ausländische regierungsunabhängige Organisationen arbeiten auch schon dort. Aber wir machen uns keine Illusionen. Die strukturellen Bedingungen werden sicher ein ständiger Konfliktpunkt sein. In Mozambique haben wir einige Projekte, die in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht haben. Als Beispiel möchte ich die Ausbildung von Genossenschaftspräsidentinnen in einem großen Kooperativenverband in Maputo nennen, denen es mittlerweile sehr gut gelingt, ihre Anliegen gegenüber dem Staat zu vertreten und ihre Produkte zu vermarkten. Interview: Nina Boschmann

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