Ministerpräsident mit Breitenwirkung

■ Beim 51. Parteitag der CSU wurde Franz Josef Strauß mit überwältigender Mehrheit als Vorsitzender wiedergewählt - Keine neuen Aussagen, aber alle Delegierten freuten sich / Beim Rechenschaftsbericht ließ sich Strauß über alle und alles aus

Aus München Wolfgang Gast

„Bayern ist unsere Heimat und ganz Deutschland unser Vaterland. Unsere Hoffnung ist Europa.“ So umreißt Franz Josef Strauß das Selbstverständnis der bayerischen Christlich–Sozialen Union. In der Bayernhalle auf dem Münchner Messegelände tagt der 51. Parteitag der CSU, Motto der Veranstaltung: „Mit Mut und Profil - Politik für Deutschland“. In der Halle vor dem eigentlichen Parteitag werden Aufkleber verteilt. Die „Junge Union“ wirbt mit: „Bock auf Bayern“ und „Ja zum Kind - nein zur Abtreibung“. Wer mag, kann an einem bayerisch geschmückten Stand unter vier verschiedenen CSU– Krawatten wählen oder beim bayerischen Devotionalienhändler Bayern–Wimpel und Freistaatsplaketten erwerben. Die Kraftwerksunion (KWU) hat einen In fo–Stand aufgebaut, und die Vertreter der Landwirtschaft schenken den Delegierten bayerische Alpenmilch aus. Außerhalb des Messegeländes demonstrieren an die 50 Mitglieder der „Patrioten für Deutschland“ (eine Nachfolgeorganisation der rechtsradikalen „Europäischen Arbeiterpartei“ von Helga Zepp–LaRouche) gegen Abtreibung und Null–Lösung im kalten und regnerischen Münchner Wetter. Sie fordern weiterhin die CSU–Delegierten auf, gegen AIDS–Aufklärung in den Schulen vorzugehen. Ein „Diskussionsparteitag“ sollte es werden, erklärt Generalsekretär Tandler, aber diskutiert wird am Samstag in der überfüllten Bayernhalle wenig. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht die Wiederwahl des Parteivorsitzenden. Innerparteiliche Auseinandersetzungen haben in der CSU selten zu offenen Diskussionen geführt, daher ist das Abschneiden von Franz Josef Strauß bei der Wahl zum Vorsitzenden das Barometer für die innerparteiliche Zustimmung. In den 26 Jahren seiner Vorstandsschaft kann Franz Josef Strauß auf traumhafte Ergebnise verweisen. In den insgesamt 14 Wahlgängen seit 1961 hat er ein dutzend Mal über 90 Prozent der gültigen Stimmen erhalten. Der einzig nennenswerte Einbruch geschah am 16.7.83. Damals vermittelte er der DDR einen Milliardenkredit und die Parteibasis quittierte den Schwenk in der Deutschlandpolitik mit dem für Strauß mäßigen Wahlergebnis von 77,1 Prozent. Mit großer Spannung erwarten daher alle Teilnehmer den Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden. Die äußerliche Eintracht der CSU hat in der letzten Zeit den Unmut an der Basis verdeckt. Obwohl es in den Sachfragen Zustimmung für die Politik des Partei– Vorstandes gibt, ist die Stimmung vor Ort für die Parteioberen unkalkulierbar geworden. Zum Teil erhebliche Verluste bei den letzten Wahlen, wie im Herbst 1986 bei der Landtagswahl und im Januar 1987 für den Bundestag sowie der gescheiterte Wunsch, in Bayerns zweitgrößter Stadt Nürnberg einen CSU–Mann zum Oberbürgermeister zu küren, lassen die Sympathiekurve für die CSU abgeflacht erscheinen. Viele der Delegierten sehen dies als Folge der „mangelnden Sensibilität des großen Vorsitzenden“ (ein Parteitags–Mitglied). Seine jüngsten Aussagen zur Kieler Affäre, das ständige Quengeln in der Bonner Koalition und nicht zuletzt die öffentliche Demontage des langjährigen bayerischen Wirtschaftsministers Jaumann, haben ihr übriges getan. Beim dreistündigen Rechenschaftsbericht ist Strauß ganz der alte. Mit allen geht er ins Gericht, der Standpunkt der Partei wird zementiert. „Rechts von uns darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben“, ebenso wie er nicht bereit sei, „durch die Lagertheorie einen einzigen Wähler in die Arme der FDP zu treiben“. Seine Ausführungen decken alle aktuelle Themenbereiche ab, die Innere Sicherheit, die Hafenstraße (“wir werden in Bayern keine Verträge mit gewalttätigen Gruppen abschließen“), die Steuerpolitik und die Friedensinitiative von Gorbatschow. Keine seiner Aussagen ist neu, doch die Delegierten nehmen die Ausführungen begeistert auf. 184.000 Parteimitglieder applaudieren minutenlang. Das anschließende Wahlergebnis zeigt, die Partei steht doch voll und ganz hinter ihrem Vorsitzeden. Von 1.021 gültig abgegebenen Stimmen erhält Franz Josef 889, das entspricht einer Quote von etwas über 90 Prozent. Gegen den einzigen Kandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden stimmen 92 Delegierte. Bei der letzten Wahl am 23.11.85 waren es lediglich zwölf Gegenstimmen gewesen. Der „Bayerische Ministerpräsident mit internationalem Wirkungsgrad“ (Strauß über Strauß) nahm dies gelassen hin.