Turbulenzen

■ Zum Jahresgutachten der „Fünf Weisen“

Jährlich, zu Beginn der Saison der Weihnachtsmärkte und kurz bevor der Heilige Nikolaus die Stiefelgaben und Knecht Ruprecht die Rute springen lassen, ist erst einmal der „Rat der Fünf Weisen“ an der Reihe. Was er in dem gerade vorgeste übrigens vom OECD auch). Bei einem so „flachen Expansionspfad“ wird es nicht gelingen, den Sockel der mehr als zwei Millionen Arbeitslosen abzubauen. Im Gegenteil, 1988 wird die Zahl der Arbeitslosen um 70.000 über der Zahl von 1987 liegen. Und wenn sich die „Turbulenzen“ der internationalen Finanzmärkte fortsetzen sollten, könnte es sogar noch schlimmer kommen. Eine bedingte Prognose also, unter der Annahme, daß die Turbulenzen - bitte anschnallen, wir durchfliegen ein Schlechtwettergebiet - nur vorübergehend wären. Der klimatologische Begriff der Turbulenzen, der im übrigen auch im Gutachten über die Wirtschaftsentwicklung der BRD von der Arbeitsgemeinschaft der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute penetranterweise gleich viele Male verwendet worden ist, vernebelt ja nur den Sachverstandesunverstand, mit geeigneten öko Entwertung und Vernichtung von nicht nur spekulativem Geldkapital hat stattgefunden. Sofern die verbuchten Verluste noch nicht realisiert worden sind, werden sie noch eintreten und mit harter Durchschlagskraft von der scheinbar so abgehobenen Geldsphäre auf die reale Welt wirken. Getrost kann man schon jetzt davon ausgehen, daß die „Turbulenzen“ zum Tiefflug zwingen - sofern wirtschaftspolitisch nicht außerordentlich geschickt gesteuert wird. Wer freilich erwartet, daß der Sachverständigenrat angesichts der veränderten globalen Großwetterlage Einsicht in die Notwendigkeit, neue wirtschaftspolitische Konzepte zu erwägen, zeigt, täuscht sich. Alle Vorurteile gegen die sachverständige Orthodoxie werden bestätigt: Die Löhne sollen (nach unten) flexibilisiert werden, die Staatsquote gilt es zu senken, und ansonsten sollen die Regierungen und Notenbanken mit „Geschlossenheit“ und „Festigkeit“ international kooperieren. Es wäre ja bei einem solchen Rat nicht schlecht gewesen, etwas über mögliche Interessengegensätze zwischen Ländern und Kapitalgruppen, über Widersprüche der wirtschaftspolitischen Zielvorgaben und über die Begrenztheit der Mittel zu erfahren. Doch, moderat sind die Weisen: In den Turbulenzen gelte es, der „Unsicherheit“ zu wehren. Der „Rat ist ratlos“ schreibt die Süddeutsche Zeitung, und - so müßte man hinzufügen - obendrein ist schlechter Rat auch noch teuer. Elmar Altvater, Freie Universität Berlin