Rückkehr ins Pulverfaß oder auf zu neuen Ufern?

■ Sieben Jahre nach der Ermordung der wichtigsten Führungskräfte der Linksopposition in El Salvador kehrten die beiden Spitzenpolitiker Guillermo Ungo und Ruben Zamora am Montag zurück / Parteiführer DAubuisson für Mord an Romuro verantwortlich gemacht

Von Leo Gabriel

San Salvador (taz) - Zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen wurde am letzten Montag der Flughafen in Comalapa zum Schauplatz einer außergewöhnlichen Versammlung: während Hunderte von Angehörigen verschiedener Basisorganisationen die frischgefärbten Fähnchen der Linksparteien schwangen und einige neue Parolen (“für eine globale politischen Lösung“) einstudierten, drängte sich die nationale und internationale Presse um Dr. Guillermo Ungo, die Nummer Eins der salvadorianischen Linksopposition, und seinen hochkarätigen Geleitschutz, darunter Hans Jürgen Wischnewski von der bundesdeutschen SPD, Bernado Bayona von der spanischen PSOE, sowie je ein Vertreter der französischen, norwegischen, schwedischen und guatemaltekischen Sozialdemokratie. Zwar verzichtete Ungo ebenso wie sein Vorreiter Ruben Zamora am vergangenen Samstag darauf, die salvadorische Fahne zu küssen, er stellte aber trotzdem in seiner Begrüßungsrede „die Rettung der nationalen Souveränität“ in den Vordergrund. „Seit Jahrzehnten gilt die Demokratie in El Salvador als subversiv. Jetzt sind wir nach sieben Jahren zurückgekehrt, um einen ersten Schritt zur Schaffung einer Regierung unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Kräfte zu setzen“, wiederholte Ungo bei seiner Rede vor 5.000 Menschen, die sich auf jenem großen Platz vor der Kathedrale versammelt hatten, der in der Vergangenheit oftmals zum Schauplatz gewaltsamer Repression gegen Demonstranten geworden war. Auch diesmal war die Stimmung vor allem in den hinteren Reihen eher gedämpft. Zwar lauschten die Anwesenden gespannt den Worten der Anführer der drei Parteien (MNR, MPSC und PSD), die sich seit kurzem zu der sogenannten „Bewegung demokratischer Konvergenz“ zusammengeschlossen hatten, doch sahen sich die Zuhörer immer wieder verängstigt um, denn es waren seit Tagen Gerüchte in Umlauf, die von einem unmittelbar bevorstehenden Putsch sprachen, der mit einer „Nacht der langen Messer“ beginnen werde. Trotzdem spielte Ungo bei seiner anschließenden Pressekonferenz im Hotel Camino Real die Gefahr für sein Leben und das seiner Begleiter eher herunter. Die Opposition will die Demokratiebeteuerungen Duartes auf die Probe stellen. Die ersten diesbezüglichen Reaktionen sind allerdings nicht gerade ermutigend. Sie reichen von Erklärungen Duartes, die Rückkehrer strafrechtlich verfolgen zu lassen, falls sie sich nicht öffentlich von den Guerilleros der FMLN distanzierten und sich unter den Schutz des Amnestiegesetzes für politische Verbrechen begäben, über die von der Rechtspartei Arena erhobenen Forderung, sie bei ihrer Ankunft zu verhaften, bis zu einer offenen Morddrohung der sogenannten „Todesschwadronen“ gegen den Führer der jungen Sozialdemokratischen Partei (PSD) Reni Roldan. Andererseits hat Jose Napoleon Duarte die extreme Rechte in El Salvdor just zu dem Zeitpunkt herausgefordert, als Ungos Flugzeug aus Mexiko in San Salvador landete: Duarte gab nämlich zur selben Stunde anläßlich des Staatsbesuchs des uruguayischen Präsidenten Jose Maria Sanguinetti am Militärflughafen von Ilopango die aufsehenerregende Erklärung ab, daß der in den USA wohnhafte Chauffeur des Autos, der den Mörder von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero zum Tatort gebracht hatte, ausgesagt hätte, daß das Verbrechen am 24. März 1980 im Auftrag von Mayor Roberto DAubuisson ausgeführt worden sei. Obwohl diese Hypothese, auf die dAubuisson, Führer der rechtsradikalen Arena– Partei, noch in den Abendstunden äußerst heftig reagierte, längst keine Neuigkeit mehr darstellt, mutet der Zeitpunkt, in der sie durch den Präsidenten legitimiert wurde, etwas seltsam an. „Gerade weil jeder Demokratisierungsversuch in einem Land wie El Salvador auf den heftigen Widerstand der Regierung stößt, sind wir gekommen, um mit allen politischen Kräften inklusive der Rechtsparteien wie Arena einen nationalen Dialog zu initiieren, der zur Bildung einer Koalitionsregierung führen soll“, unterstrich Guillermo Ungo in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der sozialdemokratischen MNR das Ziel seiner Rückkehr, gleichzeitig gab der Präsident der mit der aufständischen FMLN verbündeten FDR bekannt, daß er den Erzbischof Arturo Rivera y Damas im Namen der FMLN/FDR ersuchen werde, den seit der Ermordung des Präsidenten der Menschenrechtskommission unterbrochenen Dialog mit der Regierung Duarte wieder in die Wege zu leiten, wobei er als Datum den 5. Dezember und als Treffpunkt die mexikanische Hauptstadt vorschlägt.