lex–taz: Erster Testballon, peng

■ Freispruch für die taz im ersten Verfahren nach dem neuen §130a / Keine „Anleitung zu Straftaten“

Von Vera Gaserow

Mit einem Freispruch für die taz und einer Blamage für die Staatsanwaltschaft endete gestern der erste Strafprozeß, der auf Grundlage der neuen Sicherheitsgesetze durchgeführt wurde. Ein Berliner Schöffengericht sprach in dem mit Spannung erwarteten Pilotverfahren die taz von dem Vorwurf frei, mit dem Abdruck zweier Bekennerschreiben zu mehreren Hamburger Brandanschlägen gegen den einen Tag zuvor in Kraft getretenen Paragraphen 130a verstoßen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen je 50 DM für den presserechtlichen Verantwortlichen der taz, Thomas Hartmann gefordert. Ein „Krimineller“ sei der angeklagte taz–Verantwortliche zwar nicht, meinte Staatsanwalt Dalheimer in seinem Plädoyer. Mit der Dokumentation der beiden Bekennerschreiben habe er eindeutig gegen die Vorschriften des neuen Paragraphen verstoßen. „Objektive Leser“, so beharrte der Staatsanwalt, hätten den Abdruck als Anleitung zu Straftaten auffassen müssen, es bestehe kein Zweifel daran, daß die taz damit ihre Leser zum Basteln von Sprengkörpern hätte veranlassen können. Auf die Frage des Angeklagten, woher er daß denn wisse, argumentierte Dalheimer, daß ergebe sich eben aus dem Gesamtzusammenhang der Zeitung und ihrer Leserschaft und aus der Art, wie die taz die beiden Bekennerschreiben dokumentiert habe. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Wenn die taz–Dokumentation eine Anleitung zu Straftaten gewesen sei, so fragte Verteidiger Ströbele gestern in der Verhandlung, dann müsse man doch erst recht ein Verfahren gegen die Bild–Zeitung einleiten, die nach dem Tod Uwe Barschels genaue Methoden vorgestellt hatte, wie man am besten einen Menschen umbringt, ohne Spuren zu hinterlassen. Wenn dieser Paragraph den Abdruck von Bekennerbriefen oder authentischen Dokumenten aus einem bestimmten politischen Spektrum verbiete, dann - so hatte der Angeklagte Thomas Hartmann zuvor begründet - hätten wir bald Zustände wie in der DDR. Die taz habe ganz bewußt Dokumente auch von militanten Gruppe oder der RAF veröffentlicht, damit sich ihre Leser ein eigenes Urteil über deren Politik und deren Denken bilden könnten. Für Viele überraschend, schloß sich das Gericht dieser Argumentation vorbehaltlos an. Nichts, so erläuterten die Richter in ihrer Urteilsbegründung, deute darauf hin, daß die taz mit den Bekennerbriefen eine Anleitung zu Straftaten hätte geben wollen. Der Prozeßverlauf habe klar ergeben, daß die Veröffentlichung der Schreiben nicht mit einer Billigung von deren Inhalten gleichzusetzen sei. Die taz sei auch keineswegs, wie die Staatsanwaltschaft behauptet hatte, prädestiniert für den ständigen Abdruck solcher Schreiben, sondern sie sei eine zugelassene Zeitung, die von breiten Bevölkerungsschichten gelesen werde und für die das Recht der Pressefreiheit gelte. Die Art der taz, sich mit Dokumentation mit dem Problem des Terrorismus auseinanderzusetzen sei zwar sehr drastisch. Aber das, so begründeten die Richter, sei eine Frage der Ethik einer Zeitung und keine Frage des Strafrechts. Auch in einem zweiten Anklagepunkt sprach das Gericht die taz gestern frei. Für eine Kleinanzeige eines „Verbands der Sägefische Deutschlands“, die zum Strommastsägen aufgefordert hatte, hatte die Staatsanwaltschaft mit Thomas Hartmann den falschen presserechtlich Verantwortlichen angeklagt. Und für die richtige Adressatin, die Verantwortliche für den taz–Anzeigenteil, war der Anklagevorwurf verjährt.