I N T E R V I E W „Das Theater hat keinen Unterhaltungswert“

■ Thomas Schmid, Ökolibertärer, zum Streit bei den Grünen, die seiner Meinung nach heute eine „stinknormale Partei“ sind

taz: Spaltung oder nicht, das ist die Frage. In der Zeit hast du bedauert, daß die Fundis nicht frühzeitig herausgetrieben wurden. Umgekehrt wurden einst Leute wie Bauer Springmann und Gruhl von den Fundis herausgedrängt. Schmid: Von Spaltung will ich nicht reden. Das ist nicht das Problem, auch wenn einige Leute aufgefordert wären, einmal klipp und klar Stellung zu beziehen. Aber die Spaltung möchte ich auch nicht an Personen wie Gruhl oder Springmann festmachen, das sind auch Sektierer. Der Punkt ist eher, daß die Fundis bereits einen Spaltungsprozeß betrieben haben, als sie die Partei gegenüber der Gesellschaft dicht gemacht haben, daß die Grünen ein Sammelbecken für Sektierer wurden, für sture Partialinteressen und verquere politische Phantasien. Es ist nicht gelungen, diese skrupellose und völlig rücksichtslose Art der Ökosozialisten und Fundamentalisten, die Landnahme der Partei mit ihrem dürren strategischen Gepäck, zu verhindern. Einen Thomas Ebermann kann die Partei in Gottes Namen verkraften. Man kann aber nicht verkraften, daß solche Leute an entscheidenden Stellen sitzen. Ich befürchte, daß aus dem internen Sumpf der Grünen heraus nichts mehr passie ren wird. Sie sind eine stinknormale Partei geworden, mit einem Apparat, den man durch innerparteiliches Wühlen und Arbeiten nicht mehr wegkriegt. Gibt es einen dritten Weg? Ich sehe nur eine Chance. Die Grünen müssen aus der Gesellschaft heraus massiv unter Druck gesetzt werden. Es müssen sich Initiativen bilden, die den Grünen deutlich signalisieren, da machen wir nicht mehr mit, jetzt ist Schluß. Wenn es so weitergeht, kann ich verstehen, wenn auch Wähler zur SPD zurückwandern oder erstmals hinwandern, denn sie wollen ja präzise etwas, nicht mehr die großen Sprüche, die nichts kosten. Das wäre fundamentale Politik, die am Elan festhält, aber sehr präzise ansetzt. Das Theater in Bonn hat doch überhaupt keinen Unterhaltungswert mehr. Kann es sein, daß sich die Grünen überflüssig vorkommen, weil die anderen Parteien mit den grünen Themen besser als sie selber umgehen? Das kommt, wenn man Politik nicht in dieser Welt macht. Selbstverständlich ist es so im politischen Kräfteparallelogramm, daß, wenn eine Partei ein Thema entdeckt hat, das auf Strömungen in der Bevölkerung stößt, sie selbstverständlich nachziehen und sich das Thema aneignen muß. Das muß aber als Erfolg der Grünen definiert werden. Nur sind sie nicht in der Lage, auf diesem Sockel weiterzuarbeiten. Vieles hat die SPD von den Grünen übernommen, aber wenn es um Dezentralisierung, um Rekommunalisierung der Energieversorgung geht, dann möchte ich doch mal sehen, wo die SPD steht. Das wäre der interessantere Streit, da geht es um Kleingedrucktes, was die Leute interessiert. Solange man nur über den Zeitpunkt der Abschaltung redet, interessiert das keinen, weil jeder weiß, daß man nicht sofort abschalten kann. Werden sich Ökolibertäre und Realos irgendwann in anderen Parteien wiederfinden? Das glaube ich nicht, zumindest kurzfristig nicht. Ich kann mir vorstellen, daß ein Gutteil der Realos zwar zur SPD wandert, bei den Ökolibertären kann ich es mir weniger vorstellen, weil die Differenzen relativ klar sind. Die Grünen müssen nicht die letzte Partei gewesen sein, die in der Bundesrepublik gegründet wurde. Vielleicht nehmen es mal andere in die Hand. Es müßte dann eine radikalbürgerliche Partei sein, die die verschüttete Tradition des Liberalismus beerbt, eine Partei mit einem wirklich ökologischem Programm. Darunter geht es nicht. Interview: Benedict M.Mülder