Waldheim–Akten verschwunden

■ Dokumente aus UNO–Kriegsverbrecher–Archiv verschwunden, die angeblich Material über Kriegsverbrechen Waldheims enthalten / Wer könnte neuer Staatspräsident Österreichs werden?

New York (ap/dpa/taz) - Aus dem Kriegsverbrecher–Archiv der UNO sind auf ungeklärte Weise 433 Akten verschwunden, bestätigte der Archivdirektor der UNO, Alf Erlandsson. Das Archiv enthält Belastungsmaterial gegen 40.000 mutmaßliche Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges. Als im vergangenen Jahr der Jüdische Weltkongreß erfahren hatte, daß in diesem Archiv auch Unterlagen über den österreichischen Staatspräsidenten Kurt Waldheim lagen, hatte man begonnen, Akten auf Mikrofilm aufzunehmen. Die New York Post berichtet, dabei habe sich herausgestellt, daß ganze Dokumentenblöcke fehlen. Dies treffe vor allem auf das Mikrofilmband zu, das die von Jugoslawien angelegte Akte über die angebliche Beteiligung Waldheims an Kriegsverbrechen enthalte. Erlandsson äußerte die Vermutung, die Unterlagen seien bereits Ende der 40er Jahre abhanden gekommen. UNO–Generalsekretär Perez de Cuellar hat unterdessen eine Untersuchung über das Verschwinden der Akten angeordnet. Dabei soll geklärt werden, ob die Unterlagen verschwanden, bevor oder nachdem die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges der UNO das Archiv übergeben hatten und ob die fehlenden Papiere eventuell den Bereich der „abgeschlossenen und zurückgezogenen Fälle“ betraf. In Wien brodelt inzwischen die Gerüchteküche. Zwar haben sich offizielle Stellen zu den vom Stern angekündigten neuen Belastungsmaterialien gegen Waldheim nicht geäußert, in den Parteien wird jedoch bereits heftig nachgedacht, wer eventuell an Stelle Waldheims Staatspräsident werden könnte, falls dieser zurücktreten würde. Da Waldheim vor kurzem in einer Pressekonferenz jedoch kundgetan hat, daß er selbst einen belastenden Schiedsspruch der Waldheim–HistorikerKommission nicht als bindend für einen Rücktritt ansehen würde, ist mit solch einem Schritt nicht ernsthaft zu rechnen. -ant–