Zwei Schritte vor, einer zurück

■ Trotz Frauenbeschluß gibt es vorläufig keine zentrale DGB–Demonstration gegen das geplante Beratungsgesetz

„Wir könnten einen großen Aufstand machen, aber das bringt nichts.“ Etwas gefrustet klingt Marlies Dobbertin, Landesfrauensekretärin des DGB in Baden– Württemberg und langjährige Paragraph–218–Gegnerin, schon. Vor kurzem hat sie erfahren, daß es vorläufig keine zentrale DGB– Demonstration gegen das geplante Paragraph–218–Beratungsgesetz geben wird. So zumindest hat es der DGB–Bundesausschuß, das höchste DGB–Gremium, zwischen den Gewerkschaftstagen vergangene Woche beschlossen und sich damit über die DGB– Frauen eindeutig hinweggesetzt. Anfang Oktober hatten die Teilnehmerinnen einer Fachtagung der Frauenabteilung des DGB– Bundesvorstandes ein 4–Punkte– Aktionsprogramm gegen das Beratungsgesetz verabschiedet. Neben dezentralen Protestaktionen auf Landes– und Bezirksebene und Lobbying bei Bundestagsabgeordneten und Regierungsmitgliedern war darin auch eine zentrale Demonstration in Bonn vorgesehen. Zwar hatte diese Resolution im DGB–Bundesfrauenaus schuß einige Wochen später heftige Diskussionen ausgelöst, da die Vertreterinnen der Gewerkschaften Chemie, Textil und Bekleidung, sowie Nahrung–Genuß– Gaststätten an Finanzierungs– und Mobilisierungskraft für eine Großdemo zweifelten. Dennoch wurde die Bonner Demonstration mit großer Mehrheit angenommen. „Ein beeindruckender Erfolg“, wie Marlies Dobbertin meint. Über alle parteipolitischen Differenzen hinweg hätten die DGB–Frauen damit einen „Riesenschritt“ Richtung Einheit gemacht. Der Frauenantrag ging nun seinen üblichen gewerkschaftlichen Gang, zunächst zum DGB–Bundesvorstand. Schon dort wurde Punkt vier, zentrale Demonstration, aus dem Aktionsprogramm gestrichen. Irmgard Blättel, Vorsitzende des DGB–Bundesfrauenausschusses und CDU–Mitglied, versuchte daraufhin ihr Glück beim DGB–Bundesausschuß. Aber auch dort wurde Punkt vier „zurückgestellt“ mit der Begründung, vom geplanten Beratungsgesetz läge noch kein Entwurf vor und der Zeitpunkt der Lesungen sei noch nicht klar. Von Streichung des Aktionspunktes wollen die Funktionärinnen im DGB–Bundesvorstand in Düsseldorf nichts wissen. Aufgeschoben sei noch lange nicht aufgehoben. Schließlich seien die ersten drei Punkte des Aktionsplans, die politisch den selben Stellenwert hätten wie die zentrale Demonstration, ja beschlossen worden, meint Helga Tölle, Leiterin der Frauen–Abteilung des DGB– Bundesvorstands. Acht Großveranstaltungen auf Landesbezirksebene seien schon geplante Sache. „Uns kommt es jetzt darauf an, gute dezentrale Aktionen zu machen, das hat auch Einfluß auf eine künftige zentrale Demonstration.“ Nicht alle Gewerkschaftsfunktionärinnen sind so optimistisch. Eine Funktionärin aus dem IG– Metall–Bereich kritisierte die „hinhaltenden Argumente“ des DGB–Bundesausschußes. Es sei bekannt, wie lange Entscheidungen bräuchten, bis sie durch den Gewerkschaftsapparat durch seien. Wenn dann erst bei der nächsten oder übernächsten Sitzung das Thema wieder aufgegriffen werde, könne es schon zu spät sein. Ihre Meinung: Der DGB wolle sich in Paragraph–218–Sachen nicht noch weiter aus dem Fenster hängen. „Den Schaden so klein wie möglich halten“, möchte Marlies Dobbertin, denn der Paragraph 218 sei „eine heiße Frage“. Zum ersten Mal sei es angesichts des drohenden Beratungsgesetzes zu einem „gemeinsamen tragenden Nenner“ unter den DGB–Frauen gekommen. „Wenn wir jetzt brachial gegen den DGB–Bundesvorstand vorgehen, springen uns vielleicht einige Frauen wieder ab.“ „Findige Lösungen“ müßten statt dessen gesucht werden. So will sie auf einer Großdemonstration gegen den Sozialabbau, die für Februar in Baden–Württemberg geplant ist, das Beratungsgesetz unbedingt zum Thema machen. „Wir sollten aus der Sache keinen Frauen–Männer–Konflikt machen“, meint Marlies Dobbertin, denn „ich brauche meine DGB–Männer!“ Ulrike Helwerth