Lebenslänglich für Monika Weimar gefordert

■ Für die Staatsanwaltschaft besteht kein Zweifel an Täterschaft und Motiv Monika Weimars / Widersprüchliche Zeugenaussagen und Beweismittel in einem reinen Indizienprozeß / Die Verteidigung kommt am Montag zu Wort

Aus Fulda Heide Platen

Sicher wie am ersten Verhandlungstag gab sich Staatsanwalt Hans Wachter am Mittwochnachmittag vor dem Fuldaer Landgericht. Er forderte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für die inzwischen 29jährige Krankenpflegehelferin Monika Weimar aus dem Dorf Röhrigshof–Nippe. Sie habe am Vormittag des 4. August 1986 - zwischen elf und zwölf Uhr - ihre beiden fünf– und siebenjährigen Töchter Karola und Melanie erstickt und erwürgt. Sie habe dies „heimtückisch und aus niederen Beweggründen“ an den arg– und wehrlosen Opfern getan: „Jedes Kind erwartet von der Mutter zuletzt einen Angriff.“ Die Kinder seien ihrer Beziehung zu einem amerikanischen Soldaten im Wege gewesen. Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft schilderte Wachter das Geschehen am Tattag: Monika Weimar sei am Vormittag dieses Augustmontags in zwei Nachbarorte gefahren. Sie habe bei Bank und Post Geld eingezahlt, „um sich ein Alibi zu verschaffen“. Dann sei sie gegen 11 Uhr heimlich zurückgekehrt, habe die Kinder vom Spielplatz geholt und sei mit ihnen zu einem acht Kilometer weit entfernten Waldweg gefahren. Dort habe sie sie getötet und dann mehrere Kilometer voneinander entfernt versteckt. Sie sei dann zurückgekehrt und habe eine Entführung vorgetäuscht und eine „beispiellose Suchaktion“ über mehrere Tage ausgelöst. Wachter stützte sich dabei vorwiegend auf die Aussagen der Hauptbelastungszeugin N. Diese Nachbarin hatte behauptet, die Kinder noch gegen 11 Uhr lebend auf dem Spielplatz gesehen zu haben. Sie war im Laufe des Verfahrens ins Zwielicht geraten; zum einen wegen einer Familienfehde mit den Weimars, zum andren weil sie ihre Aussage gegenüber der Presse und vor Gericht immer mehr ausschmückte. Eine andere Nachbarsfamilie sagte zugunsten von Monika Weimar aus. Einen Antrag der Verteidigung, die Zeugen auf ihre Glaubwürdigkeit hin untersuchen zu lassen, lehnte der Vorsitzende Richter, Klaus Bormuth, ausdrücklich ab. Die Kammer habe selbst Erfahrung genug bei der Würdigung von Zeugenaussagen. Sie wird bis zum für den 4. Januar erwarteten Urteil die schwierige Aufgabe haben, sich völlig widersprechende Aussagen zur Kleidung der Angeklagten am Tattag, zu möglichen Tatzeiten und Uhrzeiten werten zu müssen. So wollen verschiedene Zeugen Monika Weimar zur gleichen Uhrzeit an verschiedenen Orten gesehen haben. Auch die Spurengutachten des Landeskriminalamtes, die reichlich vorgetragen wurden, brachten keine eindeutigen Indizien gegen Monika Weimar. Teils waren sie nachlässig und einseitig erstellt worden, teils waren sie gar von falschen Ermittlungsunterlagen ausgegangen. Tagelang versuchte das Gericht, sich durch Befragung der psychologischen Gutachterinnen, Prof. Elisabeth Müller– Luckmann und Prof. Willi Schumacher, Klarheit zu verschaffen. Beide sagten aus, sie hielten Monika Weimar, eine gehemmte und wenig handlungsfähige Frau, nicht für fähig, einen solchen geplanten und „sorgfältig“ ausgeführten Mord zu begehen. Wenn sie es gewesen sei, dann nur in einem Ausbruch aufgestauter Aggressionen. Dann aber, so Meyer–Luckmann, hätte „die Tat anders ausgesehen“. Es hätten Spuren von Gewaltanwendung und Gegenwehr der Kinder vorhanden sein müssen. Diese aber fehlen völlig. Daß Monika Weimar aus „sexueller Hörigkeit“ zu ihrem amerikanischen Freund gehandelt habe, schlossen beide Gutachter entschieden aus. Die Beziehung sei halbherzig gewesen und eher Hilfmittel zur Trennung von dem Ehemann. Müller–Luckmann nannte das Tatmotiv „sexuelle Hörigkeit“, das die Anklage annimmt, einen Begriff aus der „vor wissenschaftlichen Alltagstheorie von Laien“, der lediglich einen „Vorurteilscharakter“ habe. Ihr sei ein solcher Fall in Jahrzehnten der Berufserfahrung nur ein einziges Mal begegnet. Staatsanwalt Wachter listet noch einmal auf, daß Monika Weimar wochenlang geschwiegen und sich dann in Widersprüche verwickelt habe, als sie ihren Ehemann beschuldigte, er habe die Kinder nachts getötet. Sie sei gegen drei Uhr nach Hause gekommen und habe ihn neben den ermordeten Mädchen vorgefunden. Sie habe nichts sagen wollen, weil sie sich mitschuldig fühlte. Dies sei, so die Anklage, „schlicht die Unwahrheit“. Völlig unverständlich sei, warum sie keine Wiederbelebungsversuche gemacht, keine Hilfe, keinen Arzt geholt, sondern sich „schlicht ins Bett“ gelegt habe. Ihr Ehemann dagegen, der aussagte, er habe die Nacht über bis zum nächsten Morgen um 11 Uhr geschlafen, habe sich nie in Widersprüche verwickelt. Auch habe er seinerseits seine Ehefrau während des ganzen Verfahrens nicht belastet. Dies wiederholte der Vertreter der Nebenklage, der Reinhard vertritt, im Brustton der Überzeugung. Die Urteilsfindung wird bis zum kommenden Monat zu einem komplizierten Rechenspiel geraten. Wenn die Anklage mit ihren Vorwürfen recht hat, blieben der Angeklagten in der angenommenen Tatzeit zwischen 11 und 12 Uhr gerade zehn Minuten zum Ermorden und Verstecken der beiden Kinder.