Tritt ins Gesicht

■ Werner Höfers deutscher Abgang

44 Jahre nachdem der Leiche des Pianisten Karlrobert Kreiten noch ein Tritt ins Gesicht gegeben wurde - und der Tritt war mit „Werner Höfer“ signiert -, 25 Jahre nachdem die DDR erstes Belastungsmaterial gegen Höfer vorlegte, neun Jahre nach den ersten Angriffen der CDU und der Springerpresse gegen den „Liberalen“ vom Frühschoppen (eine Retourkutsche, gerade war im BR ein Ex–Nazi auf CDU–Seite gekippt worden), sechs Jahre nach Priebergs Dokumentation über „Musik im NS–Staat“ erscheint ein Artikel im Spiegel. Es wird enthüllt: Höfers Nazi–Vergangenheit. Nichts davon gewußt, raunzt WDR–Intendant Nowottny und verlangt eilig, Höfer möge die Vorwürfe entkräften. Sonst werde der Frühschoppen abgesetzt. Höfer sagt: „Es ist alles gesagt“, und ergreift juristische Schritte. Alle habens gewußt. Nichts im Spiegel–Artikel war wirklich neu. Ins Blatt nur ein paar Details und Belege längst bekannter Fakten. Warum wird Höfer erst jetzt gekippt? Winterloch im Spiegel? Höfer ist inzwischen längst kein mächtiger Mann mehr, als Moderator des Frühschoppens ist er beim WDR nur noch freier Mitarbeiter. Der Enthüllungsgestus beim Spiegel und die Betriebsamkeit beim WDR sind schiere Heuchelei. Jämmerlich ist allerdings auch, wie Höfer versucht, sich aus der Affäre zu ziehen. Niemand würde heute noch von ihm behaupten, er wäre ein Nazi. Verlangen möchte man nur, inständig, ja, ihn flehentlich bitten, daß er es endlich wagt, sich ins Gesicht zu sehen. Was ihn da anblicken würde, wäre in der Tat abstoßend: die deutsche Geschichte. Thierry Chervel 4INLAND AKTUELLFREITAG, 18/12/87