piwik no script img

„Noch ein paar Pfeile im Köcher“

■ Hannovers Umweltminister setzt Buschhausbetreiber Preußen Elektra unter Druck / Von Jürgen Voges

Als in der vergangenen Woche der niedersächsische Landtag über die neuerliche Buschhaus–Affäre debattierte und die Opposition den Rücktritt von Umweltminister Remmers forderte, da verbreitete dessen Pressesprecher Herrmann Kues auf den Fluren noch Optimismus. Er glaube nicht daran, daß der Betreiber von Buschhaus, die BKB, auf ihrem Rechtsstandpunkt beharren und aus seinen Kraftwerken in diesem Jahr mehr als 35.000 Tonnen SO2 emittieren werde. Geht man von der Rechtsgrundlage aus, ist dieser Optimismus völlig unbegründet. In den Verträgen zwischen der niedersächsischen Landesregierung und der BKB findet sich entgegen landläufiger Meinung kein Datum, ab dem die BKB sich zu der jährlichen Emissionshöchstmenge von 35.000 Tonnen verpflichtet. Tatsächlich heißt es dort, erst nach Erprobung und Inbetriebnahme der Entschwefelungsanlage - und das kann, wie inzwischen ja bekannt ist, noch eine Weile dauern. Remmers Sprecher begründete seine Prognose denn auch eher nebulös: Man habe, so Kues, gegen die Muttergesellschaft der BKB, die Preußen–Elektra, noch einige „Pfeile im Köcher“. Dann fielen die Stichworte „Bestechungsaffäre“ und „Kernkraftwerk Esenshamm“. Von der „notwendigen Zusammenarbeit auf vielen Gebieten“ war dann auch die Rede, als zwei Tage später, am Freitag letzter Woche, sich der Umweltminister und sein Staatssekretär mit dem Vorstandsvorsitzenden der Preußen–Elektra Hermann Krämer zum Gespräch über das Desaster mit der Buschhaus–Entschwefelung trafen. Am Ende einigte man sich per Handschlag. Krämer, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsit zender der BKB ist, versprach, daß sich der Buschhaus–Betreiber an die Emissionsgrenzen jenes Bundestagsbeschlusses aus dem Jahre 1984 halten werde, auf dessen Grundlage Buschhaus erstmal ohne Entschwefelung hatte in Betrieb gehen dürfen und der der BKB 312 Millionen an Subventionen für den nachträglichen Einbau der Filteranlage zusicherte. Krämer habe zugestimmt, so verlautete Anfang dieser Woche aus dem Umweltministerium, daß alle BKB–Kraftwerke in dem am Juli dieses Jahres begonnenen Betriebsjahr nicht mehr als 35.000 Tonnen SO2 ausstoßen würden. Ein Austausch von Papieren, in denen dies unter Ausklammerung der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte festgeschrieben werde, sei noch für diese Woche geplant. „Noch vor Weihnachten Einigung wegen Buschhaus“ kündigte Umweltminister Remmers am Montag an. Doch bis gestern erklärte sein Ministerium noch, man verhandele weiter über technische Einzelfragen. Die Pfeile, mit denen das Umweltministerium der Preußen– Elektra die Buschhaus–Lösung abhandeln wollte, haben inzwischen andere abgeschossen. Nicht durch das Haus von Werner Remmers, durch die Staatsanwaltschaft Hanau und das Bundesumweltministerium wurde am vergangenen Mittwoch bekannt, daß die Preußen–Elektra in ihren Kraftwerken Esenshamm, Stade und Würgassen illegal plutoniumhaltigen Atommüll aus Belgien lagert. Schon vor dem Gespräch zwischen Remmers und dem Vorstandsvorsitzenden Krämer hatte die Atomenergieabteilung des Umweltministers bei der Preußen–Elektra Auskunft über solche illegalen Lagerungen in Esenshamm verlangt. „Wir haben schon in der letzten Woche Hinweise auf die falsch deklarierten Fässer aus Belgien erhalten, sagte der zweite Ministeriumssprecher Siegfried Heinemann am Donnerstagabend. In vier niedersächsischen Atomanlagen wurden Fässer aus Belgien gefunden. Bei 177 im AKW Esenshamm und 22 in Gorleben könne man davon ausgehen, daß sie verbotenerweise Plutonium und Kobalt enthalten. Weitere 200 Fässer in Gorleben, 24 im AKW Stade und 15 in der Landessammelstelle für radioaktiven Abfall in Steyerberg würden noch überprüft, da sie von Mol kommend erst über Karlsruhe gegangen seien. Das Umweltministerium wird nun prüfen, welcher Zusammenhang sich zwischen der Bestechung von Preußen–Elektra Mitarbeitern durch die Firma Transnuklear und der Abnahme von falsch deklarierten Transporten des gleichen Unternehmens herstellen läßt. Nach dem bisherigen Stand sind mindestens 22 Preußen–Elektra Mitarbeiter in Bestechungsaf fären verwickelt. Nur bei Dreien aus Esenshamm geht es um „alltägliche“ Bestechung. Sie hatten Fremdfirmen, die im AKW tätig waren, auf Rechnung des Hauses für sich privat arbeiten lassen (siehe Artikel unten). Alle übrigen, so listet es eine Anwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Grünen Abgeordneten Hannes Kempmann auf, haben von Transnuklear Gelder erhalten. Unter ihnen befinden sich neun Preußen–Elektra Mitarbeiter, die in den AKWs Esenshamm, Stade und Grohnde „für die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes verantwortlich“ sind beziehungsweise waren. Von diesen ist in Esenshamm und Stade nur je ein Angestellter von der Preußen–Elektra nach Bekanntwerden der Bestechungen entlassen worden. Zu den Beschuldigten in Esenshamm, so bestätigte inzwischen die Preußen–Elektra selbst, gehören der Strahlenschutzbeauftragte des AKWs und sein Stellvertreter, die Angestellten also, die den Inhalt der falsch deklarierten Fässer zu kontrollieren hatten. Doch auch der Grüne Landtagsabgeordnete Kempmann, dem die Landesregierung schon insgesamt drei Anfragen zur Bestechungsaffäre beantworten mußte, glaubt nicht, daß Transnuklear in erster Linie für die Übernahme falsch deklarierten Abfalls Gelder gezahlt hat. Schon im Oktober 1986, so sagte der Grüne Abgeordnete, sei in Belgien ein Transporter der Firma Transnuklear auf dem Wege zur Konditionierungsanlage in Mol verunglückt, der in Plastik–Containern hochradioaktive flüssige Abfälle aus dem AKW Krümmel geladen hatte. Solche Abfälle dürften gar nicht in die Belgische Anlage gebracht werden. Nach Auskunft des Umweltministeriums lagert in Mol noch eine größere Menge niedersächsischen Atommülls, der noch nicht behandelt worden ist, und auch die belgischen Aufsichtsbehörden sprechen von illegalen Anlieferungen hochradioaktiven bundesdeutschen Mülls. Mit den Bestechungsgeldern, so die Erklärung des Grünen Abgeordneten, habe sich Transnuklear allem Anschein nach gut dotierte Aufträge zum nicht genehmigten Abtransport von hochradioaktivem Abfall verschafft. Was man jetzt an Fässern mit belgischem Atommüll entdeckt habe, seien wahrscheinlich nur die Rücktransporte von zwar plutoniumhaltigem aber insgesamt geringer verstrahltem Müll. „Wegen des Begleitscheinverfahrens muß jedem illegalen Export in diesem europäischen Atommüllkarussell auch ein illegaler Import folgen“, sagte Hannes Kempmann. In der Antwort auf Kempmanns dritte Anfrage hatte das Umweltministerium noch letzten Freitag behauptet, „von konkreten rechtswidrigen Gegenleistungen“ für die „Zuwendungen der Transnuklear GmbH“ sei nichts bekannt. Auch mit den personellen „Konsequenzen“ der Preußen–Elektra gegenüber den bestechlichen Mitarbeitern, die überwiegend aus Abmahnungen zum Teil aus Versetzungen oder Gehaltskürzungen um fünf bis zehn Prozent bestanden, hatte sich das Ministerium zufrieden gegeben. Die für Sicherheitsüberprüfungen zuständige Personalabteilung des Ministeriums hatte seit längerem gefordert, bei allen von der Affäre Betroffenen eine zusätzliche Überprüfung der Zuverlässigkeit anzuordnen und sie so zumindest bis zur Klärung der Vorwürfe von ihren Funktionen zu suspendieren. Das Kernenergiereferat hatte dagegen erfolgreich opponiert. Seit Mittwoch ist nun bekannt, daß nicht nur Gelder an Preußen– Elektra Mitarbeiter geflossen sind, sondern daß durch die falsch deklarierten Fässer auch gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wurde. Dennoch hat das Umweltministerium bisher seine Politik der Abdeckung der Preußen– Elektra beibehalten. Umweltminister Remmers selbst, der noch nach dem Buschhaus–Skandal - offenbar in Unkenntnis der Vertragslage - laut schimpfend personelle Konsequenzen gefordert hatte, schweigt bisher zu den Vorwürfen gegen das Energieversorgungsunternehmen. Seine Pressestelle zitierte ihn lediglich immer wieder mit der knappen Bemerkung, ein AKW–Betreiber müsse nicht nur inhärente Sicherheit, sondern auch moralische Integrität der Mitarbeiter garantieren. Vor die Presse hat Remmers gestern lediglich den Leiter seines Kernenergiereferats Horst geschickt, der demnächst zum Abteilungsleiter befördert werden soll. Der nannte dann die Bestechungen „kaufmännische Unregelmäßigkeiten“, bei denen es bisher keine Hinweise gebe, „daß sie in den sicherheitstechnischen Bereich hineinreichen“. Möglicherweise liege die Lieferung falsch deklarierter Fässer nur daran, daß die Verträge mit der Konditionierungsanlage in Mol nicht eindeutig seien. Damit steht das Verhalten des niedersächsischen Umweltministeriums in auffälligem Kontrast zur härteren Linie von Bundesumweltminister Töpfer. Aber Remmers ist auch wegen Buschhaus auf das Good–Will der Preußen– Elektra angewiesen. SeinPressesprecher Hermann Kues verkündete schon am Donnerstag: „Nachdem, was nun bekannt geworden ist, gehe ich davon aus, daß wir mit der BKB beziehungsweise der Preußen–Elektra jetzt schleunigst ohne kleinliche Hakeleien zu einer Einigung über Buschhaus kommen werden.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen