I N T E R V I E W „Wir lassen uns nicht einschüchtern“

■ Die Ärztin und Mitarbeiterin des Essener Gen–Archivs Beate Zimmermann zu der Durchsuchungs– und Bechlagnahmeaktiom des Bundeskriminalamtes in den Räumen des Gen–Archivs am Freitag abend

taz: Das Gen–Archiv war Gegenstand von Durchsuchungen des BKA. Was ist das Interesse des BKA an euch? Beate Zimmermann: Ich kann das nur annehmen aufgrund des Materials, was sie mitgenommen hab en. Das waren Materialien vor allem aus dem Bereich Humangenetik, Pränatale Diagnostik, über Pharmafirmen, und Forschung von Institutionen, Unterlagen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und ein Ordner aus dem Bereich Widerstand, gegen diese Technologien und Forschungsvorhaben. Kannst du genaueres zu eurem Gen–Archiv sagen? Wer seid ihr, was tut ihr? Wir sind eine Gruppe von sechs Frauen und haben die Arbeit schon Anfang 80 angefangen. Wir haben zunächst zusammengetragen, was wir selbst zu dem Thema haben, Zeitungsartikel und so, und haben dann angefangen, verschiedene Themen systematisch zu archivieren. Und sind dann zum ersten Mal auf dem Kongreß zu Frauen und Reproduktionstechnologie in Bonn 1985 an die Öffentlichkeit gegangen. Wir haben jetzt seit Sommer diesen Jahres eigene Räume und stellen dort das Material, was wir sammeln, der Öffentlichkeit zur Verfügung. Wir schreiben und veröffentlichen selbst. Unsere Arbeitsschwerpunkte liegen im großen Bereich Gen– und Reproduktionstechnologien. Dazu ge hört nicht nur die Humangenetik und Medizin, sondern auch die ganze Frage der Umweltproblematik, die Virologieforschung, Datenerfassung im Gesundheitswesen, Euthanasie und Drittes Reich beispielsweise. Und wurde nun eure Arbeit auf den Kieker genommen oder richtete sich die Aktion gegen einzelne Frauen bei euch? Wir sind alle, die in dem Archiv und für das Archiv arbeiten, von der Durchsuchung betroffen. Und es gibt auch einen bundesweiten Zusammenhang von Frauen, die in dem Bereich arbeiten, dazu gehören auch die Hamburger Frauen, die jetzt betroffen sind. Das Gen–Archiv finanzieren wir. Waren unter den beschlagnahmten Sachen Materialien, die auf keinen Fall an die Öffentlichkeit kommen sollten? Ich fand es auffallend, daß so viel zu pränataler Diagnostik und Humangenetik mitgenommen wurde. Und gerade im letzten Jahr gab es genau darum ja sehr viele Debatten. Ich hab aus Gesprächen herausgehört, daß sie Schriften suchen, wo dazu eine extreme Position, also extreme Ablehnung formuliert ist. Wie ist Eure Position denn genau? Wir sind kein Verein, der eine einheitliche Position hat. Allerdings versuchen wir darzulegen, daß die neuen Technologien auf einer breiten Ebene erstmal überflüssig sind und dann auch vernichtend, menschenaussondernd, ausmerzend, daß sie nicht nur überflüssig sind sondern neue Probleme schaffen. Zur ganzen Frage der Frühdiagnostik, Medizin, haben wir in einzelnen Bereichen unterschiedliche Positionen. Versteht ihr euch als Teil der autonomen Frauenbewegung? Wir haben keine einheitliche Geschichte, sondern ganz unterschiedliche. Einige kommen aus Frauengruppen, andere nicht. Und wir machen auch Veranstaltungen mit gemischten Gruppen. Der Zeitpunkt dieser Aktion - haltet ihr ihn für zufällig? Den verstehen wir selbst nicht. Bedeutet die Aktion eine Behinderung eurer Arbeit? Zumindest ist das versucht worden. Das Haus war stundenlang von bewaffneten Beamten besetzt und Leute mußten sich ausweisen und die Überprüfung abwarten. Das macht in so einem Viertel großen Eindruck. Und die WAZ, die Essener Tageszeitung, hat eine große Überschrift gemacht: „Wohnungen der Roten Zora durchsucht“. Wir haben versucht, das durch Presseerklärungen richtigzustellen. Und was sind eure Konsequenzen? Ja, daß wir so weitermachen wie bisher und nicht einschüchtern lassen. Interview: Gitti Hentschel