G A S T K O M M E N T A R Auf Zehenspitzen

■ Höfer - ein Skandal der Öffentlichkeit

Der Fall Höfer ist eigentlich kein Fall Höfer, sondern einer der Sendeanstalt und der Öffentlichkeit insgesamt. Höfer hat 35 Jahre den „Internationalen Frühschoppen“ geleitet, eine Sendung, die immer zwischen plus und minus Null aufgegangen ist. Er hat sich immer darum herumgedrückt, Stellung zu beziehen. Das ist der Grund, warum er die Sendung so lange machen konnte. Wenn er wirklich einmal Position bezogen hätte, wäre das eines Tages immer radikaler geworden, das liegt in der Natur der Sache, und sein Ende wäre gekommen. Höfer wollte aber nirgendwo anecken. Er wollte verhindern, daß Zuständige aus der Anstalt und politisch Interessierte aus dem Publikum sich deshalb mit seiner Vergangenheit beschäftigten, weil sie sich auf den Schlips getreten fühlten. Deshalb ist er auf Zehenspitzen durch die Jahrzehnte gegangen. Und das ist ihm gelungen. Seine Nazi–Vergangenheit ist zwar aufgekommen, aber er konnte sagen, ich bin jetzt ein patenter Demokrat und tue niemandem etwas zu leide. Nun passierte 1943 leider Gottes die Ermordung des Musikers Kreiten, liegt sein Jubelkommentar dazu vor. Der angesehene Kritiker Wapnewski hat ihn zitiert und dann gesagt, darüber wollen wir gar nicht reden, denn wir müssen Herrn Höfer glauben, daß er das gar nicht selber geschrieben hat. In diesem Tenor lief die Duldung Höfers seit Jahren. Man muß ihm glauben, weil er so brav ist. Ich würde umgekehrt sagen, weil Höfer so brav ist, weil er ein Opportunist reinsten Wassers ist, der den Opportunismus des österreichischen Bundespräsidenten noch weit übertrifft, darf man ihm gerade nicht glauben, muß man wissen, daß er genau derselbe miese Opportunist geblieben ist. Das, was er damals geschrieben hat, war schmutzig bis in den Grund. Wenn er nach 1945 jemals den Mut gehabt hätte, irgendeine Position zu beziehen, würde man sagen, ja, der riskiert was und wahrscheinlich war das gar nicht so schlimm, was er gemacht hat. Aber er selber hat es schließlich so entsetzlich gefunden, so ehrenrührig und beschämend, daß er sich jeden Sonntag gesagt hat, um Gottes Willen, ich darf jetzt niemandem auf die Zehen treten. Zum Fall Höfer gehört aber auch das deutsche Publikum, das sich diesen Schmus jahrelang hat bieten lassen. Der Gipfel der politischen Verwahrlosung hingegen ist erreicht mit den Erklärungen der SPD zugunsten Höfers, man dürfe ihm die Vergangenheit nicht vorrechnen, weil er sich doch als fabelhafter Demokrat erwiesen habe. Diese Argumentation von Glotz bis Fuchs halte ich für skandalös. Es ist also viel mehr ein Fall der Öffentlichkeit, der politischen Kulisse, als ein Fall Höfer, dem eigentlich niemand Übel nehmen kann, daß er wie tausend andere versucht hat, sich zu rehabilitieren. Die außerordentliche Geschicklichkeit allerdings, die er dabei an den Tag legte, ist die gleiche, mit der er es seinerzeit zu einem anerkannten NS–Journalisten brachte. Erich Kuby, Venedig