Islamische Investitionsfirmen: der heilige Profit

Die ägyptische Zentralbank fordert ein schlagkräftiges Gesetz gegen die undurchsichtigen Aktivitäten und Investitionen sogenannter „Islamischer Investitionsfirmen“ / Das Geld des kleinen Mannes und die nationale Wirtschaft sollen geschützt werden / Beim Börsenkrach haben die „Islamischen Firmen“ 1,5 Milliarden Dollar verloren.  ■ Von Kristina Bergmann

Seit mehreren Jahren haben reiche ägyptische Moslems, die ihr Vermögen in Saudiarabien oder den Golfstaaten gemacht haben unter dem Namen „Islamische Investitionsfirmen“ eine Reihe kapitalkräftiger Gesellschaften gegründet. Hinter dem frommen Namen verbergen sich Depositenbanken, denen über drei Millionen Ägypter ihr Geld anvertraut haben. Wohlgemerkt nicht immer aus religiösen Motiven. Verlockend sind vielmehr die hohen Gewinnversprechungen von 25 Prozent und mehr und die Möglichkeit, Kleinstbeträge gewinnbringend anzulegen.

Bei den geringen Löhnen nicht nur der Unter- sondern auch der breiten Mittelschicht ist jede Aufbesserung des schmalen Einkommens willkommen. Ägyptens Bürokratie und der öffentliche Dienst zählen allein fünf Millionen Beamte und Angestellte, deren durchschnittliches Monatsgehalt nicht mehr als 50 Dollar beträgt. Auf diese Weise haben die islamischen Investoren ein Kapital von mindestens zehn Milliarden Dollar zusammengetragen und kontrollieren etwa 20 Prozent der ägyptischen Wirtschaft.

An der Definition des islamischen Finanzierungssystems scheiden sich die Geister: Die Firmen selbst behaupten, völlig legal innerhalb der Sharia, des islamischen Rechts zu agieren, da es nicht auf Zins basiere, sondern auf Gewinn und insbesondere Zinswucher ausschließe. Um zu Gewinn zu kommen, arbeiten die islamischen Firmen mit fünf im Islam erlaubten finanziellen Mitteln: Spekulation, Gewinnbeteili gung, Weiterverkauf mit einem Aufschlag, Vermietung und Leasing. Dr. Mahmoud Zagzoug, der Dekan der Theologischen Fakultät der islamischen Al Azhar Universität meint dazu: „Spekulation und Investitionen in nichtislamischen Ländern sind natürlich nicht erlaubt. Der Investor ist verpflichtet, das Geld gewinnbringend innerhalb der moslemischen Gesellschaft zu investieren. Großes Risiko und großer Gewinn sind unislamisch.“

In den letzten Monaten hat die offizielle und die nichtislamische Oppositionspresse die islamischen Firmen scharf angegriffen. Hauptkritikpunkte sind die Undurchsichtigkeit und Geschlossenheit dieser Gesellschaften und ihre Devisen- und Goldspekulationen im In- und Ausland. Teilhaber sind immer nur Familienangehörige; Außenstehende können nur ein Depot einlegen und haben weder Mitspracherecht noch Einblick in die Buchhaltung. Da die islamischen Investoren das gesamte Kapital als persönliches Konto führen, ist die Gefahr, als Sparer betrogen zu werden, besonders groß. So hat sich ein Investor mit rund 3 1/2 Millionen Dollar abgesetzt, während sich die Erben eines anderen weigern, den Sparern ihre Depositen auszuzahlen. Obwohl die Regierung bereits Anfang dieses Jahres in einer Untersuchung die Illegalität und Gefahr dieser Firmen feststellte, hat sie bis jetzt noch nichts unternommen, um die Gesetze anzuwenden oder ihre Schwachstellen auszuschalten.

Daß die islamischen Firmen ihr schnelles Geld, das sie für die regelmäßigen hohen Gewinnauszahlungen brauchen, vor allem mit Spekulation machen, wurde erst letztes Jahr klar, als der damalige Präsident der ägyptischen Zentralbank Ali Negm bekanntgab, daß „Al Rayyan“, eines der größten Unternehmen, 200 Millionen Dollar auf dem Londoner Goldmarkt verloren hatte. Der Skandal war perfekt, und manch kleiner Sparer wäre wohl skeptisch geworden, wäre nicht Saudiarabien eingesprungen und hätte den Schaden ausgeglichen.

Nachdem Premierminister Atif Sidki im August die islamischen Firmen aufgefordert hatte, „ihr Geld nützlich anzulegen“, haben sie sich insgesamt bemüht, ihr Image aufzubessern. „Al Saad“ kaufte eine Reihe dem Bankrott nahe Firmen auf, und unter islamischer Obhut sind eine Reihe Supermärkte entstanden, in denen kein Alkohol verkauft wird, dafür mehrmals täglich Koransuren zu hören sind.

Die fundamentalistische Propaganda in der den Moslembrüdern nahestehenden Oppositionspresse stellt dagegen die islamischen Investoren als Retter der bedrohten Kleinunternehmen dar, denen sie zinsfreie Kredite anbieten und deren Gewinn und Verlust sie gleichteilig mittragen.

Aus den einheimischen „Alternativprojekten“ scheinen jedoch kaum die enormen Gewinne und Verluste zu stammen. Bis zum Sommer letzten Jahres hatte Ägypten einen gutlaufenden Devisenschwarzmarkt, an dem die islamischen Firmen maßgeblich beteiligt waren.

Der Druck der Regierung und vor allem die Einführung eines freien Wechselkurses zwangen die islamischen Firmen, sich nach anderen Investitionsmöglichkeiten umzusehen.

Ein Großteil der neu dazugekommenen landwirtschaftlichen industriellen Projekte sind jedoch Scheinfirmen oder nur dazu da, den guten Ruf der islamischen Investoren zu festigen. „Al Rayyan“ gibt seit neustem die islamischen Klassiker auf Glanzpapier und in Leder gebunden unter dem Selbstkostenpreis heraus. Das fördert das Ansehen in einer moslemischen Gesellschaft und gleichzeitig die gute Zusammenarbeit mit den Moslembrüdern, die mit 38 Sitzen im Parlament (448 Sitze) die wichtigste Oppositionsgruppe bilden. Man unterstützt sich gegenseitig: Die Moslembrüder, deren wichtigste Anliegen die möglichst rasche Einführung des islamischen Rechts und die strategische und wirtschaftliche Loslösung Ägyptens von den USA sind, stellen Presse, Sprecher, Politiker – während die islamischen Firmen die notwenigen finanziellen Mittel einbringen.

Der größte Verlierer ist die ägyptische Zentralbank. Durch die Konkurrenz der islamischen Firmen fehlen ihr heute zehn Milliarden Dollar. Kritiker meinen, die rasche Entwicklung der islamischen Firmen sei nur auf Grund der Planlosigkeit in Ägyptens Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Rigidität der Banken und der laschen Kontrolle der omnipotenten Wirtschaftsgruppen durch die Regierung möglich gewesen.

Die Gesetzesrevision, auf die die Zentralbank so drängt, kommt für viele Sparer zu spät: Beim Börsenkrach hat eine der islamischen Firmen Bankrott gemacht, die übrigen haben über eine Milliarde Dollar verloren. Gewinn und Verlust wird laut islamischen Recht vom Depositär und Sparer gemeinsam getragen.