Prozeß gegen Abbas Hamadi eröffnet

Anklage lautet auf Entführung der bundesdeutschen Geschäftsleute Cordes und Schmidt in Beirut / Hamadi bestreitet Vorwurf und appelliert an die Entführer / Neues Schreiben der Entführer in Beirut aufgetaucht  ■ Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) – Der seit gestern wegen der Entführung der beiden bundesdeutschen Geschäftsleute Rudolf Cordes und Alfred Schmidt angeklagte Libanese Abbas Ali Hamadi (29) hat am ersten Prozeßtag jede Beteiligung an den Geiselnahmen in Bei rut bestritten. Der Prozeß gegen Hamadi findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in einem Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichtes statt.

Unmittelbar nach der Eröffnung appellierte der Angeklagte in einer Erklärung, die von seinen Verteidigern abgegeben wurde, an die libanesischen Entführer, „Herrn Cordes sofort freizulassen“. Käme Cordes dadurch frei, so könnte das nach Ansicht des Justizsprechers Klaus Forsen mildernde Auswirkungen auf das Strafmaß haben.

Wenige Stunden vor Prozeßbeginn hatten die Entführer von Cordes in einem Schreiben, das in Beirut einer westlichen Nachrichtenagentur zuging, der Bundesregierung alle „Konsequenzen“ aus der weiteren Behandlung des Angeklagten und seines ebenfalls in der Bundesrepublik inhaftierten Bruders Mohammed Hamadi angelastet. Fortsetzung Seite 3

Entscheidend für den Prozeßausgang wird sein, ob Abbas Ali Hamadi neben Sprengstoffvergehen auch die Entführungen nachgewiesen werden können. Die Erklärung der Entführer (Dokumentation) läßt vermuten, daß Cordes als Faustpfand für Hamadis Bruder Mohammed weiter gefangen bleibt.

Die Bundesanwaltschaft wirft Abbas Ali Hamadi vor, Mitte Januar vorigen Jahres Cordes und den Anfang September wieder freigelassenen Schmidt in Beirut entführt zu haben, um so die Auslieferung seines Bruders in die USA zu verhindern. Der 23jährige Mohammed Hamadi ist nach Auffassung der Ermittlungsbehörden aufgrund von Fingerabdrücken als einer der Entführer überführt, die am 7. September 1985 eine TWA-Maschine auf dem Flug von Rom nach Athen in ihre Gewalt brachten und dabei einen US-Marinetaucher erschossen.

Der wegen „Nötigung der Bundesregierung“, Geiselnahme und verschiedener Sprengstoffdelikte angeklagte Abbas Hamadi lehnte vor dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat jede Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Taten ab, ohne sich konkret zur Sache zu äußern: „Zur Sache selbst sage ich nichts, ich überlasse dies meinen Anwälten“, erklärte der Angeklagte zu Beginn des Prozesses, den annähernd 100 in- und ausländische Journalisten beobachteten. Seine Verteidiger äußerten sich entgegen ihrer ursprünglichen Absicht „im Hinblick auf die aktuelle Situation“ – womit sie auf die jüngsten Drohungen der Cordes- Entführer anspielten – nur kurz zur Sache: mit einem knappen unzweideutigen Appell an die Geiselnehmer sowie mit dem Hinweis, daß sie in Kürze eine Reihe von Zeugen benennen würden, die Hamadis Unschuld bekunden könnten.

Ausgesprochen aufgeschlossen, bisweilen sogar frotzelnd und heiter äußerte, sich der Angeklagte bei seiner Vernehmung zur Person: Er berichtete über seine bisherigen Berufsstationen in der Bundesrepublik als Kellner, Fahrer, Schweißer und angehender Gebrauchtwagenhändler, sprach ausführlich über seine zwischenzeitlich geschiedene Ehe mit einer 14 Jahre älteren Frau aus dem Saarland, seine Einbürgerung in die Bundesrepublik unter Beibehaltung seiner libanesischen Staatsbürgerschaft und erläuterte dem erkennbar neugierigen Vorsitzenden schließlich, was es mit dem 1986 zwischen einer jungen Beiruterin und ihm vor einem Imman geschlossenen „Heirats- Vorvertrag“ auf sich habe.

Entschieden wies Hamadi politische Aktivitäten oder Kontakte zu kommunistischen Gruppierungen im Libanon zurück. Die von ihm 1979 bei einem Asylantrag in Berlin geltend gemachte Mitgliedschaft in der Kampftruppe einer kommunistischen Studentenorganisation sei eine reine Schutzbehauptung gewesen, entgegnete der Angeklagte auf einen entsprechenden Vorhalt des Gerichts. Die Strategie der Verteidigung zielt offensichtlich darauf ab, den Angeklagten in keiner Phase dieses Verfahrens als einen politischen Gefangenen erscheinen zu lassen und während der Beweisaufnahme die alleine auf Indizien basierenden Anklagevorwürfe zu widerlegen. So verzichten die Anwälte auf sämtliche Verfahrensanträge (Besetzungsrügen, Zuständigkeitsüberprüfung und Besorgnis der Befangenheit), wie sie zu Beginn politischer Prozesse üblich sind.

Für die Bundesanwaltschaft steht hingegen fest, daß die beiden Brüder Hamadi zum harten Kern der radikal-schiitischen Organisation Hizballah (Partei Gottes) im Libanon gehören.

Inwieweit der Druck der Entführer von Cordes und Schmidt für die Entscheidung der Bundesregierung maßgeblich war, den vonr der Todesstrafe bedrohten Mohammed Hamadi trotz hartnäckigen Drängens der amerikanischen Regierung nicht an die USA auszuliefern, wird Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble als einer der bisher 69 geladenen Zeugen dem Staatsschutzsenat darlegen müssen. Nur wenn Schäuble eine Nötigung der Bundesregierung bejaht – was sich die Bonner Regierenden gut überlegen werden, dies öffentlich zuzugeben –, ließe sich dieser Anklagevorwurf der Erpressung eines Staatsorgans gegen Hamadi weiter erhalten. Schwierig wird es für das Gericht auch bei dem Vorwurf der Geiselnahme: Abbas Hamadi steht als erster mutmaßlicher Entführer in einem Falle vor Gericht, der noch gar nicht abgeschlossen ist. Das endgültige Schicksal der Geisel ist nach bundesdeutschem Recht allerdings entscheidend für das Strafmaß bei Verurteilungen wegen Entführung. Der Prozeß wird am heutigen Mittwoch fortgesetzt.