Geheimdienstagent in Honduras ermordet

Militärs beschuldigen Guerilla der Tat / Der Ermordete war als Zeuge vor ein internationales Tribunal geladen / Nach Überzeugung des honduranischen Menschenrechtskomitees war er verantwortlich für Verschleppung und Ermordung eines Studentenführers  ■ Aus Tegucigalpa T. Schmid

Jose Isaias Vilorio, seit 20 Jahren Agent des honduranischen Geheimdienstes DNI, wollte am Dienstag früh um 7.30 Uhr in Tegucigalpa, der Hauptstadt des Landes, gerade den Bus besteigen, als ihn ein vierköpfiges Kommando niederstreckte. Auf der Leiche fand man eine Fahne mit den Insignien MPL.

Soweit die offizielle Version der Militärs, und vielleicht entspricht sie sogar den Tatsachen. MPL steht für „Movimento Popular de Liberacion-Cinchoneros“, eine honduranische Guerillaorganisation, die weder politischen Einfluß hat noch ein militärisches Problem darstellt. Die Cinchoneros sind auch aufgrund der scharfen Repression Anfang der 80er Jahre über das Embryonalstadium einer Guerilla nie hinausgekommen.

Oder waren es vielleicht doch nicht die Cinchoneros, die den vierzigjährigen Geheimdienstler abknallten? Das „Komitee für die Verteidigung der Menschenrechte“ gab in einer Presseerklärung in vorsichtigen Formulierungen bekannt, daß es „nicht glauben möchte, daß mit dem Tod des Sergeanten Vilorio das Erscheinen von Oberstleutnant Alexander Hernandez Santos und Leutnant Marco Tulio Regalado Hernandez vor der CIDH in San Jose, Costa Rica, verhindert werden sollte“.

CIDH steht für „Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte“ der Organisation amerikanischer Staaten (OAS). Vor ihm wird gerade zum erstenmal gegen einen Staat prozessiert. Nämlich gegen Honduras – und zwar wegen Verschleppung und Verschwindenlassen von Personen durch Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte.Jose Isaias Vilorio hätte am 18.Januar bei der Hauptverhandlung in Costa Rica aussagen sollen. Den honduranischen Behörden bleibt nun die Entscheidung erspart, ob sie den Geheimdienstler reden lassen oder ihm die Ausreise – wie schon anläßlich der Vorverhandlungen Anfang September – verweigern sollen.

Der nun Ermordete wird vom Menschenrechtskomitee beschuldigt, als Angehöriger der militärischen Spezialeinheit S-316 an der Verschleppung und Tötung des Studentenführers Angel Manfredo Velasquez im September 1981 beteiligt gewesen zu sein. Der damalige Chef der S-136 (die nach Aussagen des von der Einheit abgesprungenen Offiziers Florensio Caballero als Todesschwadron agierte und für die Verschleppung und Beseitigung ausgewählter Personen zuständig war) heißt Alexander Hernandez Santos.

Daß dieser, heute Leiter der Polizeiakademie, die Verschleppung von Personen organisert hatte, behauptete schon vor über fünf Jahren der damalige Chef des militärischen Geheimdienstes Leonido Torres Arias. Genau diese verquickten Zusammenhänge, bei denen nach Aussagen der Menschrechtskommission auch Marco Tulio Regalado, Bruder des Obersten Militärchefs und ehemaliges Mitglied der S-316, eine entscheidende Rolle spielte, will nun der Interamerikanische Gerichtshof durchleuchten.

Daß es überhaupt so weit kommen konnte, ist im wesentlichen dem Pathologen Ramon Custodio, Präsident der Menschenrechtskommission, zu verdanken. Seit Jahren nennt er furchtlos die Verantwortlichen beim Namen. In der Straße, an der seine Praxis liegt, hängen überall Plakate, auf denen eine unbekannte Gruppe namens „Honuras Libre“ vor dem Menschenrechtler warnt, der in Honduras dem Kommunismus und dem Terrorismus die Tore öffnen wolle. Daß das eine deutliche Drohung sei, meint auch der honduranische Außenminister Carlos Lopez Contreras. Bloß vermutet er einen anderen Täterkreis. Die Linke habe etwas ganz Spektakuläres vor, meint er. „Alle wissen, daß in Mittelamerika mit politischer Zielsetzung Märtyrer geschaffen werden sollen.“