Die Contra in Honduras

Staatspräsident Jose Azcona hat es je nach politischer Konjunktur geleugnet oder zugegeben, doch in Honduras pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Es gibt im grenznahen Gebiet Militärlager der Contra, und der honduranische Armeestützpunkt El Aguacate ist sowohl eine CIA-Basis als auch ein Versorgungsstützpunkt der Contra. Letzte Woche allerdings wurden in El Aguacate beschädigte Hubschrauber und Kleinflugzeuge, die dort stationiert waren, regelrecht verscharrt und einige Contras wurden kurzfristig umgesiedelt. Der Grund: Die internationale Kontrollkommission zur Überwachung des Friedensplans hatte sich im Land angesagt. Ein Abgeordneter der regierenden Liberalen Partei, der die Vertuschung, kaum war sie ruchbar geworden, vor Ort untersuchen wollte, mußte umkehren: Er wurde von einem Soldaten der honduranischen Armee beschossen.

Als die Kommission schließlich für 27 Stunden ins Land kam, war schon angesichts des vollen Terminkalenders klar, daß eine Vor-Ort-Besichtigung von El Aguacate nicht unmöglich war. Es blieben Gespräche mit Parteien, Gewerkschaften, Bauernverbänden und Menschenrechtsorganisationen. Zwar hat Honduras eine gewählte Zivilregierung, es herrscht kein Ausnahmezustand. Doch daß ein Soldat einen Parlamentarier in die Flucht schießt, entspricht den Machtverhältnissen im Land. Nach US-Botschafter Everett Briggs und dem Armeechef Humberto Regalado steht Azcona an dritter Stelle der honduranischen Nomenklatura, so heißt es in Tegucigalpa. Daß die Einwanderungsbehörde, die Elektrizitätsgesellschaft sowie das Telefon- und Telegrafenamt von Militärs geleitet werden, gehört ebenso zur Normalität wie die Tatsache, daß die verschiedenen Ministerien Verbindungsbüros zur Armee unterhalten. Die Polizei ist nicht nur faktisch, sondern ganz formal Teil der Armee. Und schon selbstverständlich mutet es an, daß sich Journalisten nicht bei den Zivilbehörden, sondern beim Presseamt der Streitkräfte akkreditieren lassen müssen.

Wohl kaum ein Land Lateinamerikas wird wirtschaftlich so sehr von US-Konzernen und –Banken kontrolliert und ist in einem solchen Maße von den USA politisch erpreßbar wie Honduras. Und im wesentlichen dürften es die Militärs sein, die über die Politik gegenüber Nicaragua und vor allem der Contra entscheiden – und damit auch darüber, wie weit Honduras den Forderungen des Friedensabkommens nachkommen will.

Doch welches Interesse haben die honduranischen Militärs an der Präsenz der Contra in ihrem Land? Muß es nicht ihren Nationalstolz verletzen, wenn sich auf ihrem Territorium eine fremde Armee einnistet? Immerhin haben bereits Tausende von Honduranern aufgrund ständiger Übergriffe der Contras ihre Dörfer im Grenzgebiet zu Nicaragua verlassen und sind ins Landesinnere geflüchtet.

Aus drei Gründen befürworten oder tolerieren die Militärs die Präsenz der Contra, sagt der Soziologe Victor Meza, der in Tegucigalpa ein Dokumentationszentrum leitet. Erstens als Faustpfand gegenüber den USA zwecks Erpressung zusätzlicher Militärhilfe. „Ein alter Traum der honduranischen Armee ist es, gleichviel Hilfe zu erhalten wie die Salvadorianer, gegen die sie 1969 einen Krieg verloren hat“, meint Meza. Mit 88 Millionen Dollar hat sie 1987 allerdings nur etwa die Hälfte dessen erhalten, das ins Nachbarland geflossen ist. Doch dort herrscht im Gegensatz zu Honduras Krieg.

Zweitens, sagt Meza, gilt für die Honduraner die abgewandelte Maxime von Clausewitz: „Krieg ist die Fortsetzung von Business mit anderen Mitteln.“ Daß ein Teil der Contra-Hilfe der USA an die honduranische Armee abgezweigt wird, ist zwar nicht bewiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich. Fest steht, daß der Unternehmer und Abgeordnete Rodolfo Zelaya innerhalb von vier Monaten der Contra Uniformen, Kleider und Lebensmittel im Wert von 3,8 Millionen Dollar verkauft hat.

Drittens gibt es neben den 44.000 von der UNO registrierten noch weitere 120.000 Flüchtlinge, die im ganzen Land verstreut leben, in ihrer Mehrheit Nicaraguaner. Die honduranische Armee sieht in ihnen eine potentielle Gefahr für die nationale Sicherheit und will sich die Option offenhalten, die Schließung der Contra-Lager an die Repatriierung nicaraguanischer Flüchtlinge zu knüpfen. Solange Sandinisten und Contras keinen Waffenstillstand vereinbaren, argumentiert der honduranische Außenminister Carlos Lopez Contreras, und solange in Nicaragua keine umfassende Amnestie für politische Häftlinge erlassen wird (in die er die Folterknechte der gestürzten Diktatur einschließen möchte), so lange sei Honduras zur Schließung der Contra-Lager nicht verpflichtet.

Mit diesem Eingeständnis, daß seine Regierung ein Interesse an der Präsenz der Contra hat, übersieht der Politiker allerdings geflissentlich, daß ein Waffenstillstand Resultat komplizierter Verhandlungen ist, während die Schließung der Basen eben grundsätzlich keiner Verhandlungen bedürfe, wenn sich Honduras als souveräner Staat begriffe. Thomas Schmidt