Sandinisten retten Gipfel

Ortega akzeptiert direkte Verhandlungen mit der Contra / Ausnahmezustand in Nicaragua aufgehoben / USA geben keinen Kommentar ab, erst wird „geprüft“  ■ Aus San Jose Thomas Schmid

Aus dem Sitzungssaal war gesickert: „Die Abschlußfeier ist abgesagt.“ Offensichtlich gab es keine Einigkeit auf dem Gipfel der fünf zentral-amerikanischen Präsidenten in Costa Rica. Doch als schon festzustehen schien, daß es nicht einmal ein gemeinsames Dokument geben würde, tauchte plötzlich ein in englischer Sprache abgefaßtes „Statement von Präsident Ortega“ auf.

Es enthielt sensationelle Ankündigungen, die der Präsident Nicaraguas gleich im Anschluß an die Verlesung der Schlußerklärung öffentlich vortrug: Nicaragua hebt mit sofortiger Wirkung im ganzen Land den Ausnahmezustand auf. Die sandinistische Regierung erklärt sich zu „direkten Gesprächen“ mit der Contra bereit. Nicaragua erläßt eine allgemeine Amnestie – allerdings erst, wenn ein Waffenstillstand abgeschlossen ist. Solange dies nicht der Fall ist, werden gefangene Contras freigelassen, „wenn sich die Regierung der USA oder eine andere Regierung außerhalb Mittelamerikas bereitfindet, sie aufzunehmen“. Für die rund 2.000 verurteilten Nationalgardisten der gestürzten Diktatur gilt: „Der Schlüssel zu den Gefängnissen liegt bei Herr Reagan. Wenn er will, kann er alle seine Brüder zu sich heimholen.“

Was unter „direkten Gesprächen“ mit der Contra zu verstehen ist, präzisierte Ortega ebenfalls. Die Verhandlungsdelegation der sandinistischen Regierung, die bei den Gesprächen im Dezember in Santo Domingo aus dem Bundesdeutschen Wischnewski und einem US-Amerikaner bestand, werde künftig, wie von der Contra gefordert, auch Nicaraguaner einschließen. Aristides Sanchez, ein Mitglied des sechsköpfigen Contra-Direktoriums, hat das Ange bot angenommen, verdächtigt aber die Sandinisten, nur Zeit gewinnen zu wollen. Die USA enthielten sich gestern jeden Kommentars zu Ortegas Vorstoß, zunächst müßten Einzelheiten „geprüft“ werden.

Bislang hatte Nicaragua sowohl eine Generalamnestie als auch die Aufhebung des Ausnahmezustands von der Beendigung der US-Hilfe für die Contra abhängig gemacht. Offensichtlich um ein Scheitern des Gipfels zu verhindern, das mit Sicherheit ihnen angelastet worden wäre, haben die Sandinisten nun in diesen Punkten nachgegeben, nachdem Duarte und Honduras Präsident Azcona es abgelehnt hatten, der Erfüllung des Friedensabkommens eine weitere Frist zu setzen.

Ein Scheitern des Gipfels hätte es der Reagan-Administration zweifellos erleichtert, bei den Abstimmungen am 3. und 4. Februar in den beiden Kammern des Kongresses eine Mehrheit für die Contra Mittelamerikas (Ortega ausge nommen) laut New York Times wirtschaftliche Sanktionen angedroht, falls „die Contra an Unterstützung verlieren sollte“. Der costaricanische Präsident Arias dementierte dies zwar, doch diesem Dementi folgte eine Bestätigung der Meldung durch den Sprecher des Weißen Hauses.

Mit den neuesten Konzessionen versuchen die Sandinisten offensichtlich auch die Isolation zu durchbrechen, in die sie seit Monaten immer stärker hineinmanövriert wurden. Eine Isolation, die sich darin ausdrückt, daß Forderungen nach Demokratisierung so gut wie ausschließlich an Nicaragua gerichtet wurden, als ob die geheimdienstlich gelenkten Todesschwadronen in El Salvador und Guatemala nicht mit bürgerlichen Freiheiten kollidierten.

Was die „totale Pressefreiheit“ betrifft, die nun im Schlußdokument eingeklagt wird, muß festgehalten werden, daß – von einer moderat regierungskritischen Zeitung in Honduras abgesehen – Nicaragua seit der Wiederzulassung von „La Prensa“ das einzige Land Mittelamerikas ist, in dem es eine oppositionelle Tagespresse gibt. In El Salvador etwa wurde der kritische Journalismus anfang der achtziger Jahre regelrecht aus dem Land gebombt.