Dienst-Schreiber

■ Journalisten im Dienst des Verfassungsschutzes

Nun ist er also ruiniert, der Ruf der Journalisten; hinüber das Vertrauen der Bürger in die Presse; in höchster Gefahr die verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit der Presse – und schuld an allem, da sind sich Journalistenverbände und Parlamentarier einig, sind die Schützer der Verfassung selbst, weil sie in Niedersachsen Journalisten als Gelegenheitsmitarbeiter angeworben und bezahlt haben. Das Geschrei um die verlorene Journalisten-Ehr ist groß – nur hallt es in die falsche Richtung. Dem Verfassungsschutz anzukreiden, daß er sich – kostensparend und praktisch – der Doppelverdiener aus dem schreibenden Gewerbe bediente, ist so, als wenn man einen Bankdirektor vorwirft, er habe durch die Existenz seines Unternehmens den Bankräuber um die Unschuld gebracht.

Was in Niedersachsen offenbar jahrelange Praxis war, ist kein Verfassungsschutzskandal, sondern die Misere eines Berufsstandes, dessen Loyalität zu diesem Staat so groß ist, daß eine kleine Nebentätigkeit für dessen Geheimdienst wie bezahlte Überstunden empfunden werden müssen. Gut Freund zu sein mit den örtlichen Honoratioren, gehört heute fast schon zum Berufsbild des Journalisten. Den Trägern der Macht nicht auf die Füße zu treten, bringt man sich gegenseitig bei, indem man die eigenen Kollegen mit schiefen Blicken bedenkt, wenn sie mehr als zwei Fragen auf einer Pressekonferenz stellen.

Und staatliche Institutionen unabhängig und kritisch zu kontrollieren, wird Journalisten schnell abdressiert, wenn zur täglichen Arbeit das gemeinsame Verspeisen von staatlichen Lachsbrötchen an kalten Büffets gehört. Wer jetzt den verlorenen Ruf der Presse beklagt, sollte erst einmal dafür sorgen, daß es da etwas zu stehlen gibt. Vera Gaserow