Rebellion der Machos

„Wir haben gezeigt“, so Argentiniens Präsident Alfonsin nach der Aufgabe der Rebellen in einer Botschaft an die Bevölkerung, „daß wir in der Lage sind, die Demokratie und die Zukunft Argentiniens zu sichern.“ Tatsächlich hat der jüngste Putschversuch etwas ganz anderes gezeigt: Die argentinische Armee ist tief gespalten in zwei rivalisierende Fraktionen, die um die Macht kämpfen, die Alfonsin eigentlich haben sollte.

Die hinter Oberstleutnant a.D. Aldo Rico stehenden „Fundamentalisten“ sehen sich selbst als „Nationalisten“, die „Argentiniens Größe“ gegen den „Ausverkauf des Vaterlands“ durch die „liberale“ – soll heißen: US-freundliche – Armeespitze um General Caridi. Caridi ist bedingungslos pro-US-amerikanisch. Seine Strategie, die Armee wieder zu dem „ihr zustehenden Platz“ in der argentinischen Politik zu führen, verzichtet auf Rebellionen. Vielmehr setzt er auf kontinuierlichen Druck auf die Regierung und auf schrittweisen Machtzuwachs – bislang auch überaus erfolgreich.

Noch während der Osterrevolte 1987, als Alfonsins Präsidentschaft am seidenen Faden hing, stand die Armee fast geschlossen hinter den Putschisten. Der 45jährige Haudegen Aldo Rico, der 1968 als einer der ersten argentinischen Soldaten eine Ausbildung bei den berüchtigten „Rangers“ in den USA mitgemacht hatte, genoß mit seiner Forderung nach Straffreiheit für die wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagten Militärs die Sympathie praktisch der ganzen Armee. Präsident Alfonsin mußte die Krise durch Zugeständnisse beilegen, da er keine loyalen Truppen zur Verfügung hatte. Nur zwei Wochen später peitschte er dann ein „Gesetz über den Befehlsnotstand“ durch das Parlament, das den Militärs praktisch die Straffreiheit zusichert. Für den Staatsterror, dem in sieben Jahre Militärdiktatur über 30.000 „Verschwundene“ zum Opfer fielen, werden so insgesamt nur rund 30 Offiziere zur Rechenschaft gezogen. Wenn Rico jetzt betonte, er rebelliere für die Erfüllung der Forderungen der Osterrebellion, so ist das nur mehr eine Phrase: Mit dem erwähnten Gesetz sind sie bereits erfüllt.

Besonderen Symbolwert im Konflikt zwischen den beiden Militärfraktionen haben die von Großbritannien kolonisierten Malvinas (Falkland-Inseln). Für die Fundamentalisten ist die militärische Rückeroberung der Inseln gegen das britische Kolonialheer die große Aufgabe der nationalistischen Armee. Rico selbst, der meint, „der einzig warme Platz für die Füße eines argentinischen Soldaten ist der Bauch eines Engländers“, kehrte aus dem Malvinas-Debakel hochdekoriert heim.

Caridi hingegen ist mit Alfonsins Kurs, der eine militärische Rückeroberung des Pinguin-Archipels ausschließt, durchaus einverstanden. Denn ein Konflikt mit der NATO-Macht Großbritannien würde das gute Verhältnis zu den USA auf Dauer trüben. Und die USA sichern den argentinischen Militärs im Rahmen der „Doktrin der nationalen Sicherheit“ die Oberwächterrolle über die Regierung, weisen ihnen die Funktion der Hüter der Nation zu und verschaffen ihnen – falls nötig – auch die Legitimation für einen zukünftigen Putsch. Resultat des gescheiterten Aufstandes ist, daß die Macht Caridis in dem Maße steigt, wie Alfonsin immer unbedingter auf „seinen Armeechef“ setzen muß, sein politisches Überleben von der Befehlsgewalt Caridis und dem Einsatz seiner Panzer abhängig ist.

Als Gegenleistung für seine „loyale Haltung“ braucht Caridi ein weiteres Nachgeben Alfonsins, damit er – gerade auch gegenüber den Sympathisanten Ricos – Erfolge seiner „stilleren“ Strategie vorweisen kann. Der 56jährige Junggeselle, der mit seiner Mutter lebt, wird von den Machos in der Armee nicht besonders ernst genommen. Die Amnestie der verurteilten Junta-Mitglieder der Militärregierungen würde Caridis Stellung festigen, genauso wie die öffentliche Rehabilitierung des „anti-subversiven Kriegs“ der 70er Jahre durch Alfonsin. Und natürlich, daß aus der einst von Alfonsin versprochenen Militärreform nun endgültig eine Selbstreform der Militärs nach ihren eigenen Wünschen wird – bei der sie mit Sicherheit nichts an Macht einbüßen werden!

Zu Beginn der demokratischen Periode vor vier Jahren wäre eine grundlegende Reform der Armee, die Unterordnung der Streitkräfte unter die zivile Politik, noch möglich gewesen, urteilen Experten. Nach dem Debakel im Malvinas- Krieg war die Armee in desolatem Zustand. „Die Wahlen waren für die Armee“, so Caridis Vorgänger General Erenu, „ein ungeordneter Rückzug, bei dem wir nichts hatten aushandeln können.“ Mit seiner betont vorsichtigen Politik hat Alfonsin die historische Chance verpaßt, die Macht der Militärs zu brechen. Bert Hoffmann