„Ihr habt die Welt, laßt uns den Wald!“

Rasende Zerstörung der Tropenwälder / Holzindustrie maßgeblicher Verursacher / Umweltschutzverbände protestieren / Vertreibung der Ureinwohner  ■ Von Beate Holtz

Noch vor 200 Jahren waren rund elf Prozent der Erdoberfläche mit tropischen Regenwäldern bedeckt. Durch Raubbau, vor allem seitens der Industrieländer, ist heute bereits die Hälfte davon zerstört, und jährlich werden weitere 200.000 Quadratkilometer vernichtet. In einer Generation, befürchten die Umweltschützer, wird es die Regenwälder nicht mehr geben, wenn den Rodungen kein Einhalt geboten wird.

Als Verursacher sehen sie einerseits einzelne Konzerne, die Waldgebiete erwerben und zur Ansiedlung ihrer Zweigstellen abholzen lassen. Daneben die Weltbank, die durch Kreditvergabe Großprojekte wie Staudämme, Straßenbau oder Plantagen fördert und so indirekt die Rodungen vorantreibt.

Andererseits – und als zweitwichtigster Grund für die Waldzerstörung – wird der kommerzielle Holzeinschlag genannt: fünf Millionen Hektar Tropenwald jährlich fallen den Sägen der Holzindustrie zum Opfer. Europäische Firmen aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden und der Bundesrepublik sind zu 40 Prozent an diesem Geschäft beteiligt.

Allein 1,5 Millionen Kubikmeter Rundholz werden jährlich für den bundesdeutschen Bedarf gefällt. Haupteinfuhrhafen für die Urwaldriesen ist Bremen. So importierte beispielsweise die Bremer Firma Röchling im vergangenen Jahr 150.000 Tonnen tropische Hölzer. Anlaß für die Umweltorganisation Robin Wood und die Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), den Tropenholzlagerplatz der Firma im Rahmen der Internationalen Regenwaldwoche Anfang September letzten Jahres zu besetzen.

Dies war eine von verschiedenen Aktionen, durch die Robin Wood und andere Organisationen Konsumenten auf die Gefährdung der Wälder in den Lieferländern (unter anderem Malaysia, Gabun, Philippinen und Elfenbeinküste) aufmerksam machten und zum Boykott von tropischen Hölzern aufriefen. Der Protest geht einher mit den Forderungen der direkt Betroffenen. Denn nicht nur mehr als die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten der Erde werden mit der Rodung der Regenwälder ausgerottet. Direkt bedroht sind auch eine Milliarde Menschen, ein Viertel der Erdbevölkerung, die in ihrer Lebensweise von den Wäldern abhängig sind. Einige Milliarden Tonnen Wasser speichern die tropischen Feuchtzonen, stabilisieren das Klima und schützen vor Überschwemmung und Trockenheit. Werden sie abgeholzt, schwindet das Wasserreservoir der Kleinbauern. Dürre und Verwüstung sind die Folgen – und damit entstünden neue Hungergebiete wie die Sahel-Zone.

Ganz unmittelbar sind die weltweit zwei Millionen Ureinwohner der Regenwälder gefährdet. Im malaysischen Bundesstaat Sarawak zum Beispiel, wo der ursprünglichste Regenwald der Erde liegt. Dort kämpfen die letzten Waldnomaden, das Stammesvolk der Punan, seit drei Jahren um ihre Existenz. Seit dieser Zeit nämlich dringen staatlich konzessionierte Holzfällerfirmen in den Wald vor. Verkauft wird das dort geschlagene Meranti-Holz unter anderem in der Bundesrepublik – und zu Preisen, die unter denen einheimischer Holzsorten liegen. Vergeblich forderten die noch verbleibenden 650 Nomaden die malaysische Regierung auf, ihr Gebiet zum Reservat zu erklären. Als der Kahlschlag unbeirrt weiterging, errichteten die Puna im März dieses Jahres Barrieren gegen die herannahenden Bulldozer und blockieren das Gebiet nun, mit Blasrohr und Giftpfeil bewaffnet. „Ihr habt die Welt, laßt uns den Wald!“, fordert der Häuptling des Jäger- und Sammlervolks. Der Appell der Punan, auf Tropenholz zu verzichten, findet internationale Unterstützung. Doch die malaysische Regierung wie auch die Holzindustrie ändern ihren Kurs nicht.

Allen voran die Bundesdeutschen. Während in der Schweiz die Sargindustrie bereits auf Tropenholz verzichtet, in England wieder europäische Hölzer verwendet werden, bleibt der Verein deutscher Holzeinfuhrhäuser (VDH) stur. Als „recht utopische Alternativen“ bezeichneten die Vorstandsmitglieder des VDH das „United Nation Environmental Program“ (UNEP) zum Erhalt der Tropenwälder während einer internen Sitzung im April 1987. Das UN-Programm schlägt unter anderem einen Umweltzuschlag für Forstprodukte vor, durch den erforderliche Umweltmaßnahmen wie Wiederaufforstung finanziert werden sollen. Weiterhin sieht das UNEP vor, daß den Entwicklungsländern ein Teil der Schulden erlassen wird, wenn diese dafür entsprechende Waldreservate anlegen. „Die Bundesregierung hat sich hierzu ablehnend geäußert“, heißt es in dem Sitzungsprotokoll, „der VDH war an der Erarbeitung der deutschen Stellungnahme beteiligt.“

„Umweltschutzgruppierungen wie WWF oder Robin Wood attackieren den Import und Verbrauch von Tropenholz ebenso heftig wie unsachlich“, heißt es in einem Telex des VDH-Vorsitzenden Schweyer an das Landwirtschaftsministerium in Bonn. Und weiter: „Die Pressekampagne gegen Tropenholz hat ein beachtliches Ausmaß erreicht.

In Hamburg haben einzelne Senatoren in ihrem Bereich bereits ein Verbot für die Verwendung von Tropenholz erlassen. Ähnliches wird aus verschiedenen Kommunen berichtet, in denen die Grünen eine stärkere Position haben.“ Der VDH versuche, „über sachliche Informationen gegen zusteuern“. Mehr taktisch als „sachlich“ hat Hinrich Stoll, Eigentümer der Bremer Holzimport-Firma Feldmeyer, empfohlen, „daß sich der VDH in der öffentlichen Diskussion um die Erhaltung der Tropenwälder zurückhalten sollte, weil er als Interessenvertreter diffamiert würde“. Es sei „richtiger, wenn wissenschaftliche Institutionen wie die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft im Vordergrund stünden“. Und konkret wurde dazu aufgefordert, der Fördergesellschaft dieser Anstalt beizutreten.

Als am Lehrstuhl für Weltforstwirtschaft der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg promovierter Diplom- Holzwirt hielt Dr. Stoll dann im August dieses Jahres einen Vortrag über den Holzeinschlag in den Tropen von Bremer Holzhändlern. Dort zusammengefaßt finden sich die „sachlichen“ Argumente der Holzimporteure.

Zunächst einmal wird darin nicht die Tropenholzindustrie, sondern die jeweilige Regierung des Lieferlandes für die Wirtschaft verantwortlich gemacht. Außerdem werde ja „nur selektiv geschlagen und damit nachhaltige Forstwirtschaft betrieben“.

Der wahre Grund für die Waldvernichtung sei die Bevölkerungs zunahme und der damit verbundene wandernde Brandrodungsfeldbau. Daß aber die Wälder gerade durch den selektiven Holzschlag zerstört werden, halten der WWF und Robin Wood dagegen: Um wenige, wertvolle Stämme aus abgelegenen Waldgebieten zu holen, würden Tausende Kilometer Straße benötigt. Jährlich würden auf diese Weise 90.000 Quadratkilometer Urwald für die Holznutzung neu erschlossen.

Die Welternährungsorganisation der UNO schätzt, daß bei einer Nutzholzgewinnung von zehn Prozent 55 Prozent der umliegenden Kronenblattmasse zerstört werden. Und Robin Wood stellte fest: „Wenn fünf Prozent der Bäume eines Gebiets gefällt und genutzt werden sollen, werden bis zu 60 Prozent aller Bäume zerstört.“ Durch die Erschließung seitens der Importeure aber wird den Wanderfeldbauern, denen der VDH gern die Sündenbockrolle zuschiebt, erst der Zugang und damit die Brandrodung großflächiger Gebiete ermöglicht.

Unbeirrt treiben jedoch bundesdeutsche Firmen wie Danzer, Raab Kracher, Feldmeyer und Freudenberg weiter Raubbau. Und längst dienen die Edelhölzer wie Mahagoni, Teak und Palisander nicht mehr nur der Herstellung von Möbeln, Instrumenten oder Furnieren. Fensterrahmen, Türen, Fußleisten, die Innenausstattung von Wohnwagen, ja sogar Besenstiele werden aus den Urwaldriesen gefertigt.

Diese Firmen wollen von den Forderungen der Umweltschützer nichts wissen, das nimmt nicht wunder. Ginge es zum Beispiel nach dem Rettungsprogramm in „A hard wood story“ (das Buch wurde vom WWF und den „Friends of the Earth“ in Auftrag gegeben), dann stünde ein Einfuhrstopp für tropisches Rundholz an erster Stelle. Verarbeitet werden soll demnach das Holz in den Erzeugerländern, weil dadurch auch das Interesse am Schutz der Wälder wächst. Der Handel mit bedrohten Baumarten soll verboten und große Aufforstungsprojekte mittels eines Tropenwaldfonds finanziert werden. Eine Wiederaufforstung fordert auch Robin Wood, und vor allem, die noch unberührten Tropenwälder nicht anzutasten.

An die Bundesregieung appelliert die Organisation, keine Entwicklungshilfeprojekte zu fördern, die zur Regenwaldvernichtung beitragen. Und solange dies nicht erfüllt sei, werden Robin Wood wie auch andere Organisationen weiterhin zum Tropenholzboykott aufrufen.