Atomgemeinde leckt ihre Wunden

Beim Forum der Atomspalter in Bonn wurde vor allem innere Aufrüstung betrieben / Atomskandal wurde zum „Medienskandal“ umndefiniert / Minister Bangemann schickte seinen Staatssekretär mit tröstenden Worten  ■ aus Bonn Gerd Rosenkranz

Deutliche Anzeichen von Verunsicherung prägten am Dienstag die Eröffnung der Wintertagung des „Deutschen Atomforums“ in Bonn. Der im Programm als Hauptredner angekündigte Bundeswirtschaftsminister Bangemann verzichtete unter dem Eindruck des NUKEM-Transnuklear-Skandals darauf, vor den Schmuddelkindern der bundesdeutschen Industrie zu erscheinen und schickte seinen Staatssekretär von Wartenberg.

Beinahe händeringend beschwor der Vorstandsvorsitzende der Preussenelektra, Hermann Krämer, die nahezu vollständig versammelte Atomgemeinde in seiner Eröffnungsansprache, in „extrem schwieriger Zeit“ zusammenzuhalten. Wer sich „heute noch zur nuclear community dazuzählt“, möge ihr auch weiterhin die „Treue halten“. Die „Verfehlungen einzelner, die von uns unbemerkt geblieben sind“, dürften nicht einen ganzen Berufszweig „ins Zwielicht“ rücken. Die weit überzogene Kritik in den Medien „richte sich selbst“, erklärte Krämer.

Bis zu diesem Punkt herrschte Einigkeit in den Chefetagen der nach Tschernobyl und Harrisburg ein drittes Mal tief getroffenen Atomwirtschaft. In Ton und Einschätzung deutliche Unterschiede weisen jedoch zwei im Verlauf der Tagung verteilte Erklärungen auf. Unverändert selbstgerecht fordert der Vorstand der Kerntechnischen Gesellschaft, zu den „Tatsachen zurückzukehren“ und deutet den Atomskandal nach gewohntem Muster zum Medienskandal um.

Nachdenklicher geht es in dem zweiten Papier zu, das unter anderem die Päpste der deutschen Atomwirtschaft, Häfele, Scheuten und Knizia unterzeichnet haben. Wie jede Technik müsse sich auch die Atomtechnik nach ihren Vor- und Nachteilen befragen lassen. Da die „Vorteile unverändert überwiegen“, sei man nach wie vor von der Notwendigkeit der Atomtechnik überzeugt. Sollte sich jedoch der „Verdacht der illegalen Abzweigung von waffenfähigem spaltbaren Material“ als zutreffend erweisen, schreiben die „Männer der ersten Stunde“ weiter, so „wäre dies eine Ungeheuerlichkeit ..., die die Gesamtsituation qualitativ ändern würde“.

„Dankbar“ äußerte sich Preussag-Chef Kramer über die von Bangemanns Staatssekretär vorgetragene unveränderte Haltung der Bundesregierung zur Atomenergie. Da seien „ja in den letzten Tagen Fragen offen geblieben“, meinte er, ohne die Namen Töpfer, Wallmann oder Weimar zu nennen.