Bestürzung im Hamadi-Prozeß

Kurze Prozeßunterbrechung nach Bekanntwerden eines neuen Entführungsfalles in Beirut / Betroffenheit bei allen Prozeßbeteiligten / Mohamad, Bruder des Angeklagten Abbas Hamadi, verweigerte jegliche Aussage  ■ Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) – Überschattet von der Entführung eines weiteren Deutschen im Libanon gewinnt der Staatschutz-Prozeß gegen den Deutsch-Libanesen Abbas Hamadi (29) vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht immer mehr an politischer Brisanz. Als dem Vorsitzenden Richter des Fünften Strafsenats, Klaus Arend, am Mittwoch während der laufenden Verhandlung die dpa-Meldung über einen neuen Entführungsfall im Libanon von einem Gerichtsdiener überreicht wurde, unterbrach er umgehend den Prozeß und zog sich mit dem Richterkollegium zu einer längeren Beratung zurück. Die Nachricht löste bei allen Prozeßparteien sichtliche Bedrückung und Betroffenheit aus.

Abbas Hamadi muß sich seit acht Verhandlungstagen in Düsseldorf wegen der Entführung der beiden bundesdeutschen Geschäftsleute Rudolf Cordes und Alfred Schmidt verantworten, die Anfang vergangenen Jahres in Beirut gekidnappt worden waren, um die Bundesregierung zur Nichtauslieferung des mutmaßlichen Flugzeugentführers Mohamad Hamadi an die USA zu zwingen. Mohamad Hamadi, der gegenwärtig in Frankfurt einsitzt, wurde am Mittwoch unter strengsten Sicherheitsmaßnahmen als Zeuge in dem Düsseldorfer Prozeß vorgeführt, berief sich aber gegen den ausdrücklichen Willen seines angeklagten Bruders Abbas auf das Zeugnisverweigerungsrecht.

Mit erkennbar bleichen Gesichtern setzte der Düsseldorfer Strafsenat nach der Beratung über den neuen Entführungsfall die Verhandlung gegen Abbas Hamadi fort und wandte sich über seinen Vorsitzenden Klaus Arend direkt an die Geiselnehmer: Bislang seien die Zusammenhänge zwischen der neuen Entführung eines weiteren Deutschen im Libanon und dem laufenden Düsseldorfer Prozeß noch unklar, erklärte Arend und fuhr wörtlich fort: „Wenn das so wäre, daß da Bezüge vorhanden wären und wenn es sich bei den Tätern um den gleichen Personenkreis (Red.: wie bei Cordes und Schmidt) handeln würde, würden sich die Dinge wahrscheinlich verhärten und das Gegenteil dazu entstehen, was möglich wäre.“

Unmittelbar zu Beginn des Düsseldorfer Prozesses am 6.Januar 1988 gegen Abbas Hamadi hatte der Vorsitzende Richter in einer Erklärung des Gerichts unmißverständlich festgestellt, daß sich der Strafsenat „nicht unter Druck setzen lassen“ werde und das Verfahren „völlig unabhängig“ nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zu Ende führen werde. Über eine mögliche Begnadigung und Auslieferung des Angeklagten könne nach Ab schluß des Verfahrens allein die Bundesregierung entscheiden, die auf den laufenden Prozeß „keinerlei Einfluß“ habe, hatte Arend mit nachdrücklicher Zustimmung der Verteidigung zu Prozeßbeginn erklärt.

Dem von zahlreichen Journalisten aus dem In- und Ausland mit Spannung verfolgten Zeugenauftritt des Bruders des Angeklagten war ein heftiges Gerangel unter den Anwälten der Hamadi-Brüder vorausgegangen. Die beiden Verteidiger des wegen der Entführung der Deutschen Cordes und Schmidt angeklagten Abbas Hamadi (29) bedrängten dessen Bruder hartnäckig, zur Sache auszusagen: „Ihr Bruder wünscht dies ausdrücklich. Ihr Bruder und die Verteidigung versprechen sich von ihrer Aussage wesentliche entlastende Momente“, sagte der Frankfurter Rechtsanwalt Eckart C. Hild.

Mohamad Hamadi reagierte auf die Vorhalte der Verteidigung seines Bruders erkennbar ungehalten: „Ich möchte jetzt gar nichts mehr hören, ich habe erklärt, daß ich keine Aussage mache.“ Ebenso entschieden lehnte er die Aufforderung der Verteidiger ab, seinen Zeugenauftritt zu einer öffentlichen Erklärung an die Cordes-Entführer zu nutzen, sie sollen den Kontakt zu den Anwälten der beiden in der Bundesrepublik einsitzenden Hamadi-Brüder suchen.

Zum sichtlichen Unwillen seines nervös auf der Anklagebank gestikulierenden Bruders verließ Mohamad Hamadi mit demonstrativ erhobenen Händen den Gerichtssaal ohne weitere Erklärung. Die Anwälte des Angeklagten begründeten ihr hartnäckiges Drängen auf eine Aussage von Mohamad Hamadi später vor Journalisten damit, daß er bereits gegenüber dem BKA ausgesagt habe, sein Bruder Abbas habe niemals der Hizbollah angehört, er sei ein „völlig a-politischer Mensch“ und habe mit den Aktionen der libanesischen Extremisten überhaupt nichts zu tun.

Überraschung löste Mohamad Hamadi im Gerichtssaal aus, als er sein Geburtsdatum mit „Juli 1968“ angab, wonach er derzeit erst 19 Jahre alt wäre. Sein Bruder Abbas, der das Alter von Mohamad mit 23 Jahren angegeben hatte, reagierte auf diese Aussage mit heftigem Kopfschütteln. Das wirkliche Alter des wegen Flugzeugentführung einsitzenden Libanesen ist für seinen Prozeß von erheblicher Bedeutung: Ist er heute tatsächlich erst 19 Jahre alt, hätte er die ihm zur Last gelegten Taten bereits im Alter von 17 Jahren begangen und mÜßte sich vor einem Frankfurter Jugendgericht verantworten, wo ihn eine Höchststrafe von zehn Jahren erwartet.

Der Prozeß wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.