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Nervosität in der DDR-Führung

■ Keine eindeutigen Aussagen der DDR-Parteispitze zur derzeitigen Protestwelle / Kirche appelliert an Westmedien, keine „Unruhe herbeizureden“ und an die Staatsführung, Vertrauen zu schaffen

Berlin (taz) – Nervös reagiert die Führung der DDR auf die sich von Tag zu Tag steigernde Protestwelle im eigenen Land. Auffallend ist allerdings auch, daß bisher ein klares Wort von der Parteispitze selbst fehlt. Dagegen wur den Kommentare aus dem DKP- Blatt UZ abgedruckt, in denen von Versuchen zur „Installierung antisozialistischer Brückenköpfe“ die Rede ist bis hin zu dem Vorwurf, die „Kampagne“ sei vom Westen aus gesteuert. Am Samstag druckte das Zentralorgan der SED, das Neue Deutschland, einen Kommentar des West-Berliner SEW-Vorsitzenden Horst Schmitt aus der Wahrheit ab, der unter dem Titel „Wem nutzt das hysterische Gekeife gegen die DDR?“ und die DDR-Kirche vor dem zu nahen Umgang mit „Provokateuren“ warnt.

Dagegen bittet die Kirche in einer Stellungnahme zu den Verhaftungen die Staatsführung, „solche Entscheidungen zu treffen, die jetzt Vertrauen schaffen und Mitwirkungsbereitschaft fördern, um damit die Resignation und Staatsverdrossenheit abzubauen“. Sie „sieht den Veränderungsprozeß, in dem die DDR steht“ und fordert „Meinungsstreit und Toleranz“, und bittet die journalistischen Beobachter außerhalb der DDR, nicht „Unruhe herbeizureden“, sondern „menschenfreundliche Veränderungen“ zu erleichtern.

Dieser Bitte um Zurückhaltung an die Adresse der Westmedien durch die Kirche steht die Behauptung Schmitts in seinem ND- Kommentar gegenüber, der die „Falken in den Westberliner Parteien und Redaktionen“ mit ihren „Haßkampagnen“ frontal anzugreifen versucht.

In der Praxis der DDR-Grenzbehörden allerdings scheint ein anderer Feind ausgemacht: Nach dem Einreiseverbot für Petra Kelly, Gerd Bastian, Jutta Ditfurth und Regina Michalik letzte Woche, wurde am Wochenende auch dem neuen Grünen-Fraktionssprecher Helmut Lippelt, sowie Eva Quistorp die Einreise in die DDR verweigert. er

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