: Waldheim: Doch noch ein Beweis?
■ Spiegel veröffentlicht Kopie eines Telegramms vom Juli 42 / Darin wird Waldheim namentlich als Organisator der Deportation von über 4.000 Menschen genannt / Waldheim: Fälschung aus dem Jahr 47
Wien (dpa/afp/ap/taz) – Ein neues Dokument erhitzte am Wochenende in Österreich die Gemüter: Die Kopie eines Telegramms, die der Spiegel am heutigen Montag veröffentlichen will, soll erstmals eine direkte Verwicklung von Österreichs Staatspräsidenten Kurt Waldheim in Kriegsverbrechen während der Nazi-Zeit belegen. Das „dringende Telegramm“, das Oberst Fedor Dragojlov, später Chef des kroatischen Generalstabs, am 2. Juli 1942 an die „Kommandantur der ersten Gruppeneinheit“ gesandt haben soll, lautet laut Vorabinformation des Spiegel: „Sehr eilig. Leutnant Kurt Waldheim aus dem Stab General Stahls verlangt, daß 4.224 Gefangene aus Kozara, bestehend hauptsächlich aus Frauen und Kindern und ungefähr 15 Prozent alten Männern, auf den Weg geschickt werden: 3.514 nach Grubisino Polje und 730 nach Zemun.“ Von den genannten Durchgangslagern sind nach Angaben des Spiegel die Deportierten, unter anderem in das kroatische KZ Jasenovac gebracht worden. Dort seien viele ums Leben gekommen.
Den Deportationen ziviler Gefangener in Bosnien war 1942 eine blutige Auseinandersetzung mit Freischärlern vorausgegangen, bei denen mehr als 4.000 Aufständische von Soldaten der deutschen Wehrmacht und des kroatischen, faschistischen Regimes ermordet wurden. Die Echtheit des Telegramms wird von Waldheims Sprecher Gerold Christian bestritten: Er bezeichnete es als „offenbare Fälschung“ und erklärte, Waldheim habe während seiner Dienstzeit „nie Befehlsgewalt gehabt“ und habe deshalb auch keine Gefangenentransporte anordnen können.
Waldheim selbst erklärte gegenüber dem rechten Pariser Figaro-Magazine, das Dokument sei von den Jugoslawen zu Kriegsende selbst fabriziert worden. Er selbst sei seinerzeit Sekretär des damaligen österreichischen Außenministers Karl Gruber gewesen, den man damit in Verlegenheit habe bringen wollen. Auch der bundesdeutsche Militärhistoriker Manfred Messerschmidt, Mitglied der Historikerkommission über Waldheims Vergangenheit, wollte die Möglichkeit einer Fälschung nicht aus schließen, da vor allem die in dem kroatischen Dokument gebrauchte Sprache dem damals gebräuchlichen Militärjargon nicht entspreche. So wird z.B. in dem Telegramm unüblicherweise Waldheims Vorname „Kurt“ erwähnt. Bei deutschen Dienststellen kenne er eine solche Formulierung nicht, meinte Messerschmidt.
Der jugoslawische Historiker Dusan Plenca verteidigte die Echtheit des Dokuments und erklärte, er habe das Original gesehen und sich von seiner Echtheit überzeugt. Gutinformierten Quellen zufolge ist Plenca in der letzten Zeit mit dem Dokument in Wien hausieren gegangen. Da die Historikerkommission es abgelehnt habe, ihn als Mitglied aufzunehmen, habe er ihr das Material nicht zur Verfügung stellen wollen. Plenca und der Spiegel bestritten allerdings am Wochenende, daß Plenca Geld erhalten habe. Der Ausschußhistoriker Messerschmidt hat inzwischen die Regierung in Belgrad aufgefordert, der Kommission das Original zur Verfügung zu stellen. Der Abschlußbericht der Kommission, der ursprünglich am 8.Februar Bundeskanzler Vranitzky überreicht werden sollte, könnte nun eventuell erst später fertig werden, deutete Messerschmidt an. Er werde möglicherweise nach Zagreb reisen, um in den dortigen Unterlagen nach dem Telegramm zu fahnden.
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