Großer Markt für Kleine

39. Spielwarenmesse in Nürnberg / Bundesdeutscher Markt in Bewegung / Spielwaren-Supermarktkette expandiert  ■ Von Peter Huth

Sinkende Produktion im Inland und rückläufige Exporte im vergangenen Jahr. Dagegen aber um 20 Prozent gestiegene Importe vor allem aus Fernost – die „deutsche Spielzeugindustrie hat keinen Grund zum Jubilieren.“ So beschrieb Benno Korbmacher, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Spielwarenmesse EG, die Stimmung in der Branche auf der gestern eröffneten 39. Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg. Auf dieser Veranstaltung (bis zum 10. Februar), der die Fachmesse Modellbau, Hobby und Basteln angeschlossen ist, zei gen 1.969 Firmen, darunter 883 Anbieter aus 42 Ländern rund 40.000 Einkäufern aus dem Handel eine Übersicht über das Sortiment mit mehreren hunderttausend Artikeln aus der Welt des Kinderspiels und der Freizeit. Die Spielwarenhersteller klagen zum Auftakt der Messe vor allem über den Dollarverfall, der nicht ohne Einfluß auf die Einfuhr bleibt.

Allein aus Taiwan sind in der Vergangenheit immer preiswertere Importe um 36 Prozent gestiegen. Ob die Messebesucher in diesem Jahr aber auch jene neuen Produkte finden werden, die der Fach- und Großhandel zur Belebung des Marktes und zur Er schließung neuer Käufergruppen dringend fordert, ist fraglich. „Was die deutsche und internationale Spielwarenindustrie im Vorfeld der Messe an neuen Produkten offerierte“, so Jürgen Doerk vom Branchen-Magazin Spielzeug- Markt, „konnte den Betrachter bislang nur in den seltensten Fällen vom Hocker reißen.“

„Es sei nicht alles“, so Horst Heilmann, Vorsitzender des Vorstandes der Händlerorganisation VEDES eG, „mit der Dollarschwäche zu erklären. So seien in Ostasien Technologien wie die Funkfernsteuerung besser entwickelt und kämen hierzulande als Innovationen auf den Markt. Man müsse aber auch sehen, daß deutsche Firmen ihre Produktionsanlagen in die Billiglohnländer verlagert hätten, so daß Produkte deutschen Know-hows wieder als Importe zurückkommen würden.

Der Importdruck auf die deutsche Spielwarenindustrie macht sich derweil die US-Handelskette „Toy R US“ zunutze. Pünktlich zur Weihnachtszeit hatte nicht nur der Run der Kunden auf die Spielwarenläden begonnen, sondern auch der Sturm einer US-Handelskette auf den bundesdeutschen Markt. „Toys R US“ hat sich vorgenommen, mit neuem Konzept – Selbstbedienung bei Spielwaren – ein mächtiges Stück aus dem 1,45-Milliarden-Umsatzkuchen der Spielzeugbranche herauszuschneiden. Fußballfeldgroße (4.200 qm) „Spieltempel“, organisiert a la Metro oder Ikea, gefüllt mit 18.000 Produkten sollen die Kunden locken und den Spielzeugfachhandel das Fürchten lehren, nachdem bereits vier Supermärkte in Koblenz, Kaiserslautern, Wiesbaden und Essen eröffnet worden sind, plant das Unternehmen weitere acht für das nächste Jahr.

Mit 271 Läden ist die Handelskette erfolgreichster Spielwaren- Verkäufer der USA, dazu kommen noch Niederlassungen in Kanada, Singapur, England, Hongkong und Kuwait, die Geschäftsmethode ist simpel. Durch den massenhaften Absatz kann das Unternehmen unter Ausschaltung des Zwischenhandels zu Sonderkonditionen einkaufen. Die Handelsspanne liegt bei 30 Prozent, damit kann der Einzelhandel letzten Endes bis zu 30 Prozent unterboten werden. Dazu kommen Boni, Skonti und längere Zahlungsziele. Die bundesdeutschen Spielehersteller Schmidt-Spiele und Ravensburger sind bereits eingestiegen. Das Unternehmen verbuchte 1986 eine Umsatzsteigerung von 30 Prozent auf fünf Milliarden, bei einem Reingewinn von 300 Millionen. Dem Argument des Fachhandels, ohne seriöse Beratung verkaufe sich hierzulande kein Spielzeug, Selbstbedienung liefe nicht, tritt „Toys“ mit einem zeitlich unbegrenzten Umtauschrecht bei unbeschädigter Ware entgegen. In der BRD bevölkern 2.200 SpielwarenhändlerInnen die Landschaft. Etwa 1.000 von ihnen „mit wenig strukturiertem Angebot“ droht das Aus, verkündete schon im letzten Jahr Horst Heilmann. Nicht alle leben allein vom Verkauf von Spielwaren und Spielen, dennoch sind sie von einer Entwicklung betroffen, die seit zwei Jahren den bundesdeutschen Markt bewegt und seit dem Auftauchen von „Toys“ rasant beschleunigt wird. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch den Umstand, daß sich beim Verkauf von Spielwaren immer größere Verkaufsflächen mit rationalisiertem Verkauf durchsetzen. Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Spielwaren (DHS), Richter, der zugleich Geschäftsführer der von ihm gegründeten Kette Richter Spiel & Hobby GmbH ist, reagierte als erster auf die Ankündigung von „Toys“, auf dem deutschen Markt zu intervenieren. Er beteiligte den zur Zeit mächtig expandierenden Lebensmittelkonzern coop zu 75 Prozent an seiner Kette, sicherte sich dadurch einen kapital- und vertriebsstarken Partner und erreichte so auch Einfluß auf die Auswahl der Spielwarenangebote in den coop-Filialen. Überdies eröffnete Richter noch vor den „Toys“ in Essen ein 2.500 qm großes Spielwarenfachgeschäft, danach ein etwas kleineres in Hannover. Unter dem Motto „anfassen, spielen, ausprobieren ist erlaubt“ soll der US-Konkurrenz Paroli geboten werden. In der Tat: Die „Kleinen“ bieten einen großen Markt.