US-Umweltgruppen kaufen Drittweltländereien zum Diskount

Nach Bolivien jetzt Costa-Rica-Vereinbarung vom letzten Montag und Verhandlungen mit Ecuador / Bolivien-Schulden-Selbstrückkauf dagegen in Gefahr  ■ Von Ulli Kunkel

Umweltorganisationen aus den USA auf dem Weg zu Herrschern über gewaltige Ländereien der Dritten Welt – bislang ist die Kritik noch leise, die hier und da an dem speziellen Engagement der Ökologen in der Schuldenkrise geübt wird. Sie dürfte lauter werden, wenn ein auf den ersten Blick genialer Trick um sich greift: Der „Sekundärmarkt“ für uneinbringliche Schuldtitel der Dritten Welt, auf dem die ursprünglichen Gläubigerbanken beim Verkauf Preisabschläge von bis zu neunzig Prozent auf den einstigen Nennwert anbieten, ist ein Feld, auf dem sich Gruppen wie „Nature Conservancy“, „Conservation International“ oder auch der „World Wildlife Fund“ und „National Wildlife Federation“ immer stärker engagieren. Sie kaufen Dollar-Forderungen von Geschäftsbanken an Schuldnerländer und erlassen sie diesen, wenn dafür Umweltschutzmaßnahmen im Lande gefördert werden.

Mit der Unterzeichnung eines Dekretes durch den bolivianischen Präsidenten Victor Paz Estenssoro konnte in der vergangenen Woche der erste Modellfall die letzte formale Hürde nehmen. Angefangen hatte es im vergangenen Juli, als „Conservation International“ Bankenforderungen an Bolivien in Höhe von 650.000 Dollar zum Schleuderpreis von 100.000 Dollar erstehen konnte, die ihr von einer begüterten Stiftung übertragen worden waren. Ebenso wie Multinationale Konzerne, die mit ihren frisch erworbenen Discountscheinen zu den Behörden des Schuldnerstaates gehen, um den vollen Nennwert in Landeswährung für Investitionszwecke vor Ort einzufordern, ver langen die Umweltschützer auch eine Gegenleistung dafür, daß nun keine harten Dollars mehr aufgebracht werden müssen. Im Falle Boliviens ging es darum, um einen bereits bestehenden Nationalpark herum eine weitere Schutzzone von gut eineinhalb Millionen Hektar zu errichten. Die Regierung in La Paz muß nun die nötigen Gelder fürs Management, Planstellen und anderes mehr bereitstellen.

Am Montag dieser Woche nun hat die US-Bank Fleet/Norstar Financial Group Inc. mitgeteilt, sie wolle der Naturschutzorganisation „Nature Conservancy“ den Titel für costaricanische Verbindlichkeiten in Höhe von 250.000 US-Dollar überschreiben. Die Organisation mit Sitz in Washington will ihre neuerworbenen Kreditforderungen aufgrund einer mit der Zentralbank des mittelamerikanischen Landes geschlossenen Vereinbarung in Obligationen im Gesamtwert von 190.000 Dollar umwandeln. Die Erträge daraus sollen (in Landeswährung) zum Ankauf von Land und zur Deckung der Unterhaltskosten des Naturschutzgebietes „La Selva“ genutzt werden. Dabei handelt es sich um ein 10.000 Hektar umfassendes, bewohntes Areal im Dschungel in der Nähe des Nationalparkes Braulio Carillo.

Nach Auskunft von Barbara Bramlbe von der National Wildlife Federation in Washington, die sowohl im Falle Boliviens als auch Costa Ricas vermittelnd tätig war, hat die Fleet/Norstar Bank der Umweltorganisation das Geld schlicht geschenkt. Aufgrund neuer Steuergesetzgebungen in den USA läuft es für einzelne Banken des Landes finanziell auf das selbe hinaus, ob nichtrückzahlbare Kredite mit Abschlägen von 60 bis 80 Prozent an Konzerne verkauft werden, die im Lande inve stieren wollen, oder ob man die Forderungen vollends an Umweltorganisationen verschenkt. Eine gute Gelegenheit also für langfristig denkende Bankenhäuser, die auf ein gutes Geschäftsklima in Ländern der Dritten Welt auch im kommenden Jahrzehnt Wert legen, eine „noble Geste“ zu zeigen.

Während Bolivien und Costa Rica aus einer ökonomischen Zwangslage heraus quasi eine „Patenschaft“ von ökologisch denkenden und flexiblen Umweltorganisationen der Gläubigerländer akzeptieren mußten, wird in einem dritten lateinamerikanischen Land bereits entsprechendes ausgehandelt. Die ecuadorianische Stiftung Conservacion Fundacion Natura sucht US-amerikanische Banken, die bereit sind, auf einige Forderungen an Ecuador zu verzichten, und US- amerikanische Gruppen, die diese Forderungen übernehmen, um mit einem entsprechenden Schuldenerlaß die Regierung in Quito zu umweltschützenden Maßnahmen zu bewegen. Der Fundacion schwebt eine Gesamtgröße von zehn Millionen Dollar vor. Bislang hat der World Wildlife Fund schon Forderungen an Ecuador zum Nennwert von einer Million Dollar gekauft. Ähnlich wie im Falle Costa Ricas hofft man indes auch auf schenkungswillige Banken, die „nichts mehr zu verlieren haben“.

Wenn auch die Umwelt in den bisweilen besonders von ökologischem Frevel heimgesuchten verschuldeten Ländern ein wenig mehr geschont wird, so ändert sich erstmal an der Abhängigkeit und besonders am Abhängigkeitsgefühl der Bevölkerung vom reichen Norden nichts. Entsprechend kritisch wird dieser Ökotrick von einigen anderen politischen US-Instituten beäugt. Bisweilen ist da auch von „Neokolonialismus mit umgekehrten Vorzeichen“ die Rede. Andere kritisieren, daß sich US-Gruppen nach ihren Maßstäben für Schleuderpreise riesige Ländereien aneignen. Würde man für dasselbe Geld beispielsweise nur ein Fünftel der möglichen Areale beanspruchen, so wäre der Kostbarkeit des Bodens eher Rechnung getragen. Der Tausch Schulden gegen Staatsgebiet verletzt denn auch in den Augen der sozialistischen bolivianischen Parlamentsabgeordneten die Souveränität des Landes. Die Schuldenproblematik könne so zwar gelöst werden, allerdings auf die Gefahr hin, „daß die Bolivianer zu den Palästinensern Südamerikas werden“.

Unterdessen scheint ein anderes Projekt zur Schuldentilgung, das an Bolivien als Prototyp ausprobiert werden sollte, an Halbherzigkeit zu ersticken: der Schulden-Selbstrückkauf. Im Juli vergangenen Jahres hatten die 131 Gläubigerbanken des Landes mit der Regierung vereinbart, sämtliche Bankenschulden in Höhe von 650 Millionen Dollar zu einem Kurs von zehn bis fünfzehn Prozent des Nennwertes an Bolivien zurückzuverkaufen. Die Bedingung: Die Rechnung muß mit geschenkten Geldern bezahlt werden, damit Bolivien nicht motiviert ist, durch international unbotmäßiges Verhalten (zum Beispiel Zinsstreik) den Kurs seiner Verbindlichkeiten auf dem Sekundärmarkt noch weiter zu drücken. Der Internationale Währungsfonds richtete ein Konto ein, auf das potente Regierungen aus dem Norden die benötigten rund 100 Millionen Dollar einzahlen sollten – ein Klacks etwa für ein halbes Dutzend Länder, wenn sie bereit wären, die Mittel aus ihrem Entwicklungshilfe-Etat aufzubringen. Am 11. März nun läuft die Frist ab, die die Banken der bolivianischen Regierung und ihren gnädigen Spendern gesetzt haben. Nach Auskunft eines beteiligten bundesdeutschen Bankers gegenüber der taz wird sich die Bundesregierung mit Sicherheit nicht daran beteiligen, obwohl sie hier ein Vielfaches an Wirkung erzielen könnte im Vergleich zu ihren millionenschweren Schuldenerlassen gegenüber den ärmsten LLDC-Ländern. Immerhin: Die USA, Spanien, Schweden und Holland haben einen nennenswerten Betrag zustandegebracht. Wenn denn nach dem 11. März abgerechnet wird, könnten mit dem Betrag (Schätzungen liegen bei 30 Millionen) nach Auskunft aus Bankenkreisen nur zwischen einem Drittel und der Hälfte getilgt werden.