: Berliner VS-Skandal wieder vertagt
Heftiger Schlagabtausch im Innenausschuß / SPD vertagt Entscheidung über Untersuchungsausschuß ■ Aus Berlin Jürgen Gottschlich
Zu einem politischen show-down ohne größeren Erkenntniswert geriet die gestrige in der Stadt mit Spannung erwartete Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses. Beherrschendes Thema: Die in den letzten Wochen in immer neuen Details ruchbar gewordene Bespitzelung der Oppositionsparteien SPD und AL durch den Berliner Verfassungsschutz. „Unsinnig, Falsch und wider besseres Wissen“, so Berlins Innensenator Kewenig in einem langatmigen Eingangsstatement, seien die Beschuldigungen, die vor allem in den letzten Tagen gegen den Verfassungsschutz und die verant wortliche Innenbehörde vorgebracht worden seien. Verteidigen mußte der Innensenator einen Bericht des VS über die „Infiltrationsbemühungen von Rechts- und Linksextremisten“, in dem überwiegend Kontakte zwischen der Berliner Variante der DKP, der SEW, und der SPD „dokumentiert“ werden – ein Bericht, der nach Meinung der SPD ausschließlich dem Zweck dient, die Sozialdemokratie zu diffamieren.
Der Fraktionsvorsitzende der AL, Wolfgang Wieland, bezog sich dagegen vor allem auf ein zweites Schriftstück aus der letzten Woche, ein Schreiben Kewenigs an den SPD-Vorsitzenden Momper, in dem Kewenig erneut behauptet hatte, nicht die Parteien seien Beobachtungsobjekte, wohl aber einzelne Funktionsträger der AL, die auch nachrichtendienstlich überwacht würden. „Ein Innensenator, der den Fraktionsvorsitzenden einer Oppositionspartei vom Verfassungsschutz überwachen läßt“, so Wieland, „ist fällig“. Die AL hat bereits Ende letzter Woche den Rücktritt Kewenigs gefordert.
Die SPD machte es Kewenig wesentlich leichter. „Der Senator“, so ihr innenpolitischer Sprecher Paetzold, solle sich für den Bericht entschuldigen. Doch dieser dachte gar nicht daran. Den in den letzten Wochen wiederholt angedrohten Untersuchungsausschuß will die SPD nun noch einmal von einer weiteren Innenausschußsitzung abhängig machen. Wie wenig der VS tatsächlich mitbekomme, erläuterte Lorenz mit einer Anekdote aus der Parlamentarischen Kontrollkommission. Dort habe er den VS-Chef gefragt, ob dieser wisse, daß er, Lorenz, einmal mit einem Kreisvorsitzenden der SEW zum Essen war. Der habe das verneint und zu verstehen gegeben, er hätte eine solche Erkenntnis aber als top-news gemeldet. Tatsächlich, so Lorenz, sei das Essen zustande gekommen, weil der SEW-Mann während eines Friedensfestes ein Los gewonnen hätte. Preis: Ein Essen mit SPD-Kreisvorsitzendem Lorenz. „Wieder ein gelungener Infiltrationsversuch?“ fragte die SPD.
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