Der steinige Weg aus dem Haß

■ Hat die Diskussion um Versöhnung und Amnestie eine politische Perspektive?

Heute nachmittag trifft sich Bundesjustizminister Engelhard mit der Abgeordneten der Grünen Antje Vollmer, dem Schriftsteller Martin Walser und dem Theologen Ernst Käsemann. Einziges Gesprächsthema ist ein von den Grünen vorgeschlagener Dialog zwischen Inhaftierten der RAF und der Gesellschaft, aber auch Haftbedingungen und andere politische Möglichkeiten zur Überwindung des Terrorismus werden Thema sein. Anläßlich des Gesprächs fragen wir uns, wie gesprächsbereit die Linke plus RAF selbst ist. Denn ein Dialog bleibt Monolog, wenn nur die eine Seite ihn aufgreift.

Am 13. Oktober letzten Jahres stellten die Grünen einen Vorschlag „zur Eröffnung eines gesellschaftlichen Dialogs“, gerichtet an RAF-Häftlinge, an Bundesjustizminister Engelhard und an Generalbundesanwalt Rebmann vor. Der konkrete Vorschlag der Abgeordneten Antje Vollmer, des Theologen Ernst Käsemann und des Schriftstellers Martin Walser sah als ersten Schritt vierteljährlich stattfindende Diskussionstreffen aller Inhaftierten in einem Gefängnis vor. Daran teilnehmen sollten neben den gesprächsbereiten Inhaftierten auch Personen von „draußen“ aus dem Bereich von Politik, Kultur und Kirchen.

Es ging und geht den Initiatoren dabei um eine Überwindung der „Bleiernen Zeit“ der 70er Jahre. Aber es geht implizit natürlich auch um eine politische Überwindung des Terrorismus. Der Vorschlag kam damals zu einem innenpolitsch günstigen Zeitpunkt, und Bundesjustizminister Engelhard (FDP) signalisierte in einem Brief Gesprächsbereitschaft. Zur Vorbereitung reiste Staatssekretär Kinkel quer durch die Republik, um sich konkret über die Haftbedingungen kundig zu machen. Während Generalbundesanwalt Rebmann das Dialogansinnen schlicht ablehnte. Für ihn sind nicht nur „frühere Versuche dieser Art“, etwa der Besuch Sartres bei Baader, gescheitert, er hält sogar Versuche, rechtskräftig verurteilte Terroristen in den norma len Anstaltsbetrieb einzugliedern, für fehlgeschlagen: Auch die „im politischen Fanatismus wurzelnde Rechtsfeindlichkeit“ der RAF-Häftlinge und ihre „daraus resultierende Gefährlichkeit“ lasse den Diskussionsvorschlag Walsers undurchführbar erscheinen, schrieb er dem Dichter Ende Oktober.

Zum Dialog gehören natürlich mindestens zwei (Seiten). Die Reaktionen aus dem Knast waren spärlichst. Lediglich Ronald Fritsch und Ralf Reinders von der einstigen „Bewegung 2. Juni“ antworteten und warfen den Grünen eine „Verfassungsschutzkampagne gegen die radikale Linke“ vor, lehnten wütend das Angebot ab. Und die RAF? Im Knast wie draußen schweigt sie sich aus. Genauso, wie vor mehr als einem Jahr schon, als sie den Bonner Diplomaten Gerold von Braunmühl ermordete. Auf den am Tatort zurückgelassenen Bekennerbrief bekam sie einen offenen Brief der Brüder des Erschossenen als Antwort, in dem diese neben ihrer Wut und Trauer die Aufforderung formulierten, sie sollten umkehren, zurück in die Gesellschaft. Daß dieser Brief von einer ihrem Selbstverständnis nach politischen Gruppe nach mehr als einem Jahr immer noch nicht beantwortet wurde, zeigt, daß die RAF-Mitglieder draußen sich immer mehr zum Gespenst machen, zu Wesen, deren Menschlichkeit immer weniger faßbar wird. mtm