Prozeß gegen Neonazi in Gießen

■ Der Hauptbelastungszeuge belastet den Angeklagten erneut schwer / Er habe ihm eine Maschinenpistole für Banküberfälle gegeben / Zeuge will unbedingt seine Pornohefte zurück

Gießen (taz) - Im Prozeß vor dem Landgericht gegen den Neonazi Ernst Tag hat der Hauptbelastungszeuge, Markus Mössle, den Angeklagten erneut schwer belastet. Tag habe ihm eine Maschinenpistole zur Begehung von Banküberfällen „zur Verfügung gestellt“, sagte Mössle, der bereits rechtskräftig, unter anderem wegen drei Raubüberfällen auf Banken, verurteilt worden ist. Die Gießener Staatsanwaltschaft wirft Ernst Tag vor, an zwei von Mössle begangenen Banküberfällen beteiligt gewesen zu sein. So habe er die Tatwaffe, eine Maschinenpistole, für Mössle besorgt. Dadurch habe der Angeklagte auch gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Tag soll seinen VW–Bus nach Mössles Aussagen auch zum Auskundschaften eines Tatortes geliehen haben. Ernst Tag, der zu den zentralen Figuren der rechtsradikalen Szene in der Bundesrepublik zählt, habe dann, so der Kronzeuge, Teile der erbeuteten Gelder zum Ankauf eines Anwesens im pfälzischen Weidenthal verwendet haben. Dort trifft sich die Neonazi–Szene aus der gesamten Bundesrepublik. Vor allem rechtsradikale Skins campieren des öfteren auf Tags Gelände. Am gestrigen Verhandlungstag kam es zwischen Mössle und Tag auch zu einem heftigen Wortgefecht, in dessen Verlauf der Angeklagte den Zeugen bedrohte. „Wir machen noch einen Waldspaziergang“, rief Tag aus. Darauf Markus Mössle: „Worauf du dich verlassen kannst“. Mössle verbüßt allerdings derzeit eine neuneinhalbjährige Freiheitsstrafe. Der Streit entzündete sich an dem Verlangen des Zeugen, die ihm von Tag entwendeten Pornohefte zurückzubekommen. Tag hatte nämlich dem Gericht mehrere Gewaltpornos präsentiert. Diese habe er bei Mössle „sichergestellt“, „damit die Mutter von Herrn Mössle diese nicht findet“. Mit diesen Pornos wolle er belegen, so Tag, daß Markus Mössle „geburtsmäßig vorbelastet“ sei. Als der Zeuge die Herausgabe der Pornos verlangte, kam es zu dem Wortwechsel. Mössle ist der einzige Zeuge der Staatsanwaltschaft gegen Ernst Tag. Ohne ihn wäre das Verfahren gegen den neonazistischen Drahtzieher nicht in Gang gekommen. Mössle galt lange Zeit als Vertrauter von Ernst Tag, der zum ersten Mal eine mehrjährige Freiheitsstrafe ohne Bewährung zu erwarten hat. Max Holz