Plutonium im Kofferraum: normal

■ Früherer Eurochemic–Chef: „Normale Vernunft“ transportiert Plutonium im PKW / Genehmigungsbehörde hielt Transport–Umstände für „absolut korrekt“ / Transnuklear–Erben von der GNS belastet, aber nicht strafverfolgt

Aus Berlin Gerd Rosenkranz

Der Transport von Plutonium im Kofferraum normaler PKWs war Ende der sechziger Jahre gang und gäbe. Das erklärte der frühere Leiter der belgischen Wiederaufarbeitungsanlage Eurochemic, der Schweizer Rudolf Rometsch. Er reagierte damit auf einen taz–Bericht über einen Kofferraum– Transport von vier Kilo Plutonium von Mol nach Karlsruhe, der auch in Schweizer Zeitungen ein Echo fand. Von rund 600 Kilogramm Plutonium, die insgesamt unter seiner Verantwortung aus Mol abtransportiert worden seien, seien rund die Hälfte ohne Polizeischutz in PKWs unter anderem in die BRD verfrachtet worden. Damals habe man noch „mit normaler Vernunft gehandelt“, erklärte Rometsch, der heute Präsident der Schweizer Endlagergesellschaft Nagra ist, gegenüber einer Schweizer Zeitung. Mit dem heute üblichen Polizeischutz für Plutoniumtransporte sei „die Diskretion nicht mehr gewährleistet“. Deshalb sei diese Form „nicht unbedingt das Richtige“. Unterdessen hat die für die Genehmigung von Spaltstofftransporten zuständige Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) den taz–Bericht über den Transfer vom 28.8.67 ebenfalls bestätigt. Das sei „damals absolut korrekt und im Einklang mit den geltenden Vorschriften“ geschehen, sagte PTB–Sprecher Friedrich Wilhelm Collin. Man habe ein Konzept verfolgt, nach dem die „Versandstücke“, also Spaltmaterial und Verpackung, unabhängig vom verwendeten Transportmittel sicher befördert werden sollten. Deshalb sei auch ein Transport im PKW möglich gewesen. Später habe dann die in §4 des Atomgesetzes geregelte „Beförderung von Kernbrennstoffen“ diesem Verfahren ein Ende gesetzt. Darin gehe es vor allem um die Sicherung solcher Transporte gegen „Einwirkungen Dritter“. Collin hält es nicht für unwahrscheinlich, daß der heutige Geschäftsführer der Transnuklear– Nachfolge–Firma Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), Baatz, Fahrer und Besitzer des damaligen Transport–PKW war. Baatz war damals Angestellter der Transnuklear und wurde 1971 Geschäftsführer (s. taz von gestern). Collin glaubt, daß leitende Angestellte von Atomfirmen selbst zum Steuer gegriffen haben könnten, weil sie vom Verfassungsschutz bereits auf ihre Zuverlässigkeit und von den Genehmigungsbe hörden auf ihre Sachkunde überprüft gewesen seien. Dieses Verfahren sei in dieser Zeit vielleicht noch nicht für die gesamte Firma abgeschlossen gewesen. Baatz selbst antwortete auf konkrete Fragen der taz nach dem Transport vom 28.8., nach Typ und Kennzeichen seines damaligen PKW ausweichend, er könne „über einen mehr als 20 Jahre zurückliegenden Vorgang kein zugeknöpfter: Nichtmal die aktuelle Mitarbeiterzahl wollte die Firma der Öffentlichkeit mitteilen. Der Hanauer Staatsanwalt Farwick erklärte unterdessen, daß bislang nicht gegen die GNS ermittelt werde. Zwar habe der Transnuklear–Manager und Schmiergeld–Verteiler Holtz die GNS bei den Vernehmungen vor seinem Freitod belastet. Da für Schmiergeldzahlungen in der Privatwirtschaft jedoch kein Straftatbestand gelte, gebe es auch gegen die GNS „keine Anhaltspunkte für strafbare Handlungen“. Auch gegen die Transnuklear ermittle die Staatsanwaltschaft nicht wegen der Schmiergelder, sondern wegen „Untreue“ und anderer Delikte, erläuterte Farwick.