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„Eine neue Ära“

■ In Dubrovnik erteilte Gorbatschow der Breschnew–Doktrin von der „begrenzten Souveränität“ eine Absage

Von Roland Hofwiler

Belgrad (taz) - Gehören sogenannte „brüderliche Hilfen“ der Sowjetunion in Form militärischer Interventionen wie 1968 in Prag und 1956 in Budapest endgültig der Vergangenheit an? Diese Frage stellt sich seit dem Wochenende ganz Osteuropa. Denn zum Abschluß seines fünftägigen Jugoslawienbesuchs veröffentlichten der sowjetische Parteichef Mihail Gorbatschow und sein Gastgeber Busko Krunic in Dubrovnik eine Erklärung, in welcher der Breschnew–Doktrin von der „begrenzten Souveränität jedes real– sozialistischen Landes“ eine eindeutige Absage erteilt wird. In der „Dubrovniker Deklaration“ werden erstmals neue Töne angeschlagen. Darin heißt es: Keine kommunistische Partei hat das Monopol auf die allgemeingültige Wahrheit - auch nicht mehr die KPdSU. Außerdem sei die Erfahrung jeder Partei gleichbedeutend. Deshalb müsse man Respekt nicht nur für den jeweils eigenen Weg der Bruderparteien, sondern auch für unterschiedliche Positionen in der Außenpolitik jedes Landes aufbringen. In einem Interview mit der jugoslawischen Presseagentur Tanjug versicherte der Kremlchef ausdrücklich, mit dieser neuen Deklaration sollte nicht nur eine neue Ära der jugoslawisch–sowjetischen Beziehungen eingeleitet, sondern das Verhältnis aller kommunistischen Parteien zueinander neu gestaltet werden. Während jugoslawische Medien nun von einem „bahnbrechenden Abschluß“ reden, fehlt aus Osteuropa bisher jede kommentierende Stellungnahme. Im SED–Organ Neues Deutschland wird die Dubrovniker Erklärung nur kurz erwähnt, als beträfe sie allein das jugoslawisch–sowjetische Verhältnis.

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