Die grüne Bewegung vom River Kwai

■ Im Kampf gegen ein riesiges Staudammprojekt bildet sich in Thailand eine ökologische Bewegung / Naturschutzzgebiet bedroht / Wird das Projekt jetzt aufgegeben?

Aus Bangkok Rainer Hörig

„Die alten Schulden sind noch nicht bezahlt, da werden schon neue gemacht“ - „Wen kümmert denn die Dürre, solange Papa Prem (der Regierungschef) seinen Staudamm bauen kann“, steht auf den bunten Spruchbändern, die mehr als 500 Studentinnen und Studenten durch die Straßen Bangkoks tragen. Sie protestieren gegen die Zerstörung des letzten großen Naturreservats Thailands durch ein riesiges Staudammprojekt. Die Stimmung entspricht dem strahlenden Frühlingswetter. Selbstgebaute Skulpturen führen die Zerstörung der Natur plastisch vor Augen, etwa die Bären und Tiger aus Pappmache, die an Holzkreuze geknebelt sind. Im Protest gegen den Nam–Choan– Staudamm hat sich auch in Thailand eine Grüne Bewegung gebildet. Sie muß allerdings den politischen Realitäten eines von Militärs regierten Königreiches Rechnung tragen. Unzählige Touristen besichtigen Jahr für Jahr die legendäre Brücke am River Kwai, nahe der Stadt Kanchanaburi, westlich von Bangkok. Die meisten gönnen sich eine kurze Fahrt mit dem Bummelzug entlang der sogenannten „Todeseisenbahn“. Beim Bau des Schienenweges, der Thailand mit Burma verbindet, kamen während des Zweiten Weltkrieges viele tausend britische, amerikanische und französische Kriegsgefangene unter der Knute der japanischen Besatzungsmacht ums Leben. Etwa hundert Kilometer weiter westlich ist ein anderes Mo nument des Todes zu besichtigen: Zigtausende abgestorbener Bäume ragen aus dem Wasser des vor wenigen Jahren geschaffenen Khao–Laem–Stausees. Seit 1980 plant die thailändische Elektrizitätsgesellschaft, einen weiteren großen Staudamm in diesem Gebiet zu bauen, den vierten am River Kwai. Der 187 Meter hohe und 430 Meter lange Nam–Choan–Damm soll 580 Megawatt Strom erzeugen, das entspricht einem Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs Thailands. 200 qkm Urwald würden in dem gestauten Wasser untergehen. Als das Nam–Choan–Projekt 1982 zum ersten Mal am Kabinettstisch beraten wurde, entbrannte eine heftige öffentliche Debatte um Kosten und Nutzen des Wasserkraftwerkes. Die Forstbehörde erhob schwere Bedenken wegen der Zerstörung kostbarer Naturwälder. Umweltschützer und Lokalpolitiker protestierten und gewannen Schüler und Studenten für eine Kampagne gegen das Projekt. Die Weltbank, die anfangs Interesse an der Finanzierung des Staudamms bekundete, hält sich nach den öffentlichen Protesten nun bedeckt. Japanische Banken könnten aber notfalls die Finanzierungslücke schließen. Eine breite Koalition verschiedener Interessengruppen ist im Protest gegen den Nam–Choan– Damm vereint - die erste große Umweltbewegung Thailands: Der „Wildlife Fund Thailand“ und andere Naturschützer, einflußreiche Bürgergruppen aus der betroffenen Provinz Kanchanaburi (Lions Club, Parlamentsabgeordnete, Rotes Kreuz), die Verwaltung des bedrohten Thung Yai Wildreservates sowie die Leitung der Nationalen Forstbehörde, viele Studentengruppen und die Öko–Initiative „Project for Ecological Recovery“ (Projekt für die ökologische Sanierung), die in vielen Landesteilen ökologisch orientierte Entwicklungsarbeit leistet. Viele Bewohner der Provinz Kanchanaburi befürchten, der geplante Stausee könnte das lokale Klima verschlechtern und eine bleibende Gefahr für die gesamte Bevölkerung darstellen. Schon jetzt existieren drei große Staudämme in der Provinz - Srinakarin, Tha Thung Na und Khao Laem. Alle zusammen haben ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche vernichtet. Quer durch die Provinz zieht sich eine seismisch aktive Erdfalte. Kurz nach Fertigstellung des Srinakarin–Dammes 1983 wurde Kanchanaburi von einem Erdbeben erschüttert, das selbst im mehr als 100 km entfernten Bangkok zu spüren war. Geologen befürchten, daß eine weitere Anhäufung riesiger Wassermassen die Erbebentätigkeit verstärken würde. Veranschlagt sind erst einmal Kosten von zwölf Milliarden Baht, etwa 800 Millionen DM. Bis zur Fertigstellung des Dammes können es aber auch 20 Milliarden Baht werden. Im April 1974 schuf die thailändische Regierung das Thung–Yai– Wildreservat in der Provinz Kanchanaburi. Zusammen mit dem angrenzenden Huay–Kha–Kheng– Reservat bildet das 5.775 qkm große Naturwaldgebiet eines der größten und artenreichsten Wildschutzgebiete Südostasiens. Neben den Tigern und Bären, den Wilden Büffeln (Gaur) und anderen seltenen Tierarten sind dort viele exotische Pflanzen beheimatet, die der Wissenschaft noch weitgehend unbekannt sind. Wirawat Thiraprasat, der Direktor des Thung–Yai–Reservats, ist ein entschiedener Gegner des Nam– Choan–Dammes: „Die Regierungspolitik im Umgang mit den Wäldern steckt voller Widersprüche. Zwar wirbt die Regierung mit Plakaten und Broschüren für den Erhalt der letzten Wälder, gleichzeitig aber fördert sie die Holzgewinnung, die Neulanderschließung für die Landwirtschaft und den Bau großer Staudämme. Besonders der Anbau von Tapioka in den Höhenlagen hat verheerende Auswirkungen auf den Bergwald. Trotzdem fördert die Regierung die Produktion der stärkehaltigen Wurzeln, da sie in Europa gut verkauft werden können. Die Europäer verwenden Tapioka für die Herstellung von Viehfutter. Der geplante Stausee würde das Thung–Yai–Reservat in zwei Teile spalten. Damit wären auch die Wanderrouten vieler Tiere blockiert, die Paarung würde unmöglich gemacht. „Wir rechnen damit, daß einige Tierarten aussterben werden!“ Bereits im Januar haben sich die in der Nam–Choan–Koalition lose vereinten Gruppen darauf verständigt, die Öffentlichkeitsarbeit zu intensivieren, Podiumsdiskussionen und Demonstrationen zu veranstalten. Die Studentendemo, die am 30. Januar durch Bangkoks Straßen zog, war ein wirkungsvoller Auftakt. Witoon Perumpongsacharoen, Sprecher der Ökogruppe „Project for Ecological Recovery“, hofft auf deutsche Unterstützung: „All die vielen deutschen Touristen, die jedes Jahr eine Menge Geld nach Thailand bringen, sollten der Regierung klarmachen, daß sie auch der Naturschätze und der Wälder wegen hierher kommen. Sie können beispielsweise direkt an den Premierminister Prem schreiben, an die nächste Botschaft oder auch an die englischsprachige Presse in Bangkok!“ Kurz vor Redaktionsschluß wurde bekannt, daß das Staudammprojekt voraussichtlich aufgegeben wird, d. Red.