Mit Krümmel in den Wahlkampf

■ Schleswig–Holstein: Dauergenehmigung für AKW Krümmel / Engholm protestiert: „Amtsanmaßung“

Aus Hamburg Axel Kintzinger

Die heiße Phase des schleswig– holsteinischen Wahlkampfes wurde gestern mit einem Paukenschlag eröffnet. Die für die Energieversorgung zuständige Sozialministerin Ursula Gräfin Brockdorff (CDU) erteilte für das umstrittene Atomkraftwerk Krümmel an der Unterelbe eine Dauerbetriebsgenehmigung. Die bisher gültige erste Betriebsgenehmigung aus dem Jahr1983 läuft in vier Wochen aus - pünktlich zu den Landtagswahlen, aus denen die Sozialdemokraten aller Voraussicht nach als Sieger hervorgehen. Oppositionsführer Engholm hatte angekündigt, als Ministerpräsident den Betrieb der drei schleswig–holsteinischen AKWs „auf dem schnellstmöglichen Weg zu beenden“. Gräfin Brockdorff bezeichnete ihre Entscheidung als „politisch unbequem, aber rechtlich eindeutig“. Fortsetzung auf Seite 2 Alle im Atomgesetz geforderten Voraussetzungen für die unbefristete zweite Betriebsgenehmigung seien erfüllt, und die Prüfung der sicherheitstechnischen Fragen habe das verlangte hohe Sicherheitsniveau ergeben. Auch die Sicherheitskommission der Internationalen Atomenergiebehörde habe der Anlage „ein ausgezeichnetes Zeugnis ausgestellt“. Als Grund für die jetzige Entscheidung gibt die Sozialministerin an: Eine Dauergenehmigung zu einem späteren Zeitpunkt würde „erhebliche Schadensersatzan sprüche gegen das Land nach sich ziehen, da der Betreiber einen Rechtsanspruch auf Genehmigung hat“. Die schleswig–holsteinischen Grünen überlegen, gegen die Entscheidung rechtliche Schritte einzuleiten. Winfried Günnemann, Hamburger Rechtsanwalt und Experte in Sachen Krümmel, sieht jedoch wenig Chancen auf Erfolg. Für ihn ist auch die Erteilung der Genehmigung vor Ablauf der Prüfungsphase rechtlich kaum anzugreifen.“Die werden Krümmel doch nicht bis zur endgültigen Genehmigung abschalten“, erklärte er gegenüber der taz. Empörung machte sich kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung bei der SPD breit. Spitzenkandidat Engholm bezeichnete die Dauergenehigung als eine „Amtsanmaßung“. Ein solcher Beschluß stehe nur einer ordentlichen, nicht aber einer geschäftsführenden Landesregierung zu. Der CDU–Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Heiko Hoffmann, trage als derzeitiger Justizminister „die politische Verantwortung“. Hoffmanns Ankündigung, die Atomkraft sei lediglich „eine Übergangsenergie“, habe sich als „völlig folgenlos“ erwiesen. Eine SPD–geführte Landesregierung werde, gab Engholm als Wahlversprechen, „alle rechtlichen und politischen Mittel ausschöpfen“, um im nördlichsten Bundesland aus der Atomenergie auszusteigen. Den Aussagen über die Sicherheit hatte ein bereits im Herbst 1986 bekanntgewordenes TÜV–Gutachten widersprochen. Danach würde die Reaktorkuppel bei einem Super– GAU nicht halten, und die gesamte Radioaktivität dieses AKWs in einer Zeitspann von drei bis 17 Stunden vollständig austreten. Für juristische Folgen sorgte auch der Einbau des sogenannten Wallmann–Ventils, das im Falle einer Störung entstehenden Überdruck ablassen soll. Auf Initiative der schleswig–holsteinischen SPD wird derzeit gegen dieses Ventil geklagt. Der Grund: Sein Einbau sei nicht von der Betriebsgenehmigung gedeckt.