Warum immer einig?

■ Die Grünen und die Abtreibungspolitik

Warum sollen sich die Grünen eigentlich in der Frage einig sein, ob Abtreibung Tötung ungeborenen Lebens ist oder ähnlich zu sehen ist wie das Ausquetschen eines Pickels? Beide Positionen sind nicht vereinbar und sie können in der Fraktion auch nicht per Mehrheitsbeschluß „entschieden“ werden. Einigkeit besteht darüber, daß die Auseinandersetzung über Abtreibung nicht „Vater Staat“, den Gerichten, dem Strafrecht überlassen werden darf. Warum reicht das nicht? Bei der Gründung der Grünen war viel von der „Partei neuen Typs“ die Rede, weil verschiedene Strömungen und Weltbilder sich zusammenfügten. Fast automatisch hat sich aus dieser brisanten Mischung eine Gegenbewegung entwickelt: die Sucht nach traditioneller Politik, nach Vereinheitlichung einer Parteilinie. Heute stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung die Grünen nicht längst hinter den Stand ihrer eigenen Erkenntnisse zu Zeiten ihrer Gründung zurückgeworfen hat. Es ist nicht zufällig, daß die Grünen in der Diskussion über Abtreibung von konservativer Seite, aber auch von der eigenen Klientel unter Druck geraten. Sie haben maßgeblichen Anteil an der Sensibilisierung gegenüber allen „Eingriffen in die Natur“. Die Beurteilung dessen, wann Leben anfängt und ob es sich bei Abtreibung um Tötung handelt, kann keiner Frau abgenommen werden und darf nicht der politischen Opportunität oder Mehrheitsentscheidungen überlassen werden. Für die Grünen wäre viel an Glaubwürdigkeit gewonnen, ließen sie hier eine offene Entwicklung ohne Ausgrenzung zu. Es stellt sich die Frage, ob nicht bei einer ganzen Reihe von politischen Themen auf den Zwang zur Vereinheitlichung verzichtet werden, die Partei sich also zum Teil „zurückbauen“ muß. Max Thomas Mehr