„Zinssenkungen würden allen weiterhelfen“

■ Der mexikanische Ex–Finanzminister Silva–Herzog über eine „neue Ära“ des Schuldenmanagements / Hoffnung auch auf „debt–to–equity–swaps“

Jesus Silva– Herzog (52), Stargast auf dem Malenter Symposium, war von 1982 bis 1986 mexikanischer Finanzminister und verkündete in dieser Eigenschaft 1982 die Zahlungsunfähigkeit Mexikos. 1986 trat er zurück, weil er in den Augen seines Präsidenten gegenüber den Gläubigerbanken zu kompromißbereit aufgetreten war, wie Eingeweihte wissen wollen. Der im Gespräch erwähnte Herrhausen– Plan ist ein „Ausgleichs–Fonds“, der die Schuldnerländer vor Zinsausschlägen nach oben schützen soll und von Alfred Herrhausen, dem Chef der Deutschen Bank, vorgeschlagen wurde. Silva–Herzog: - Sollen wir das Interview lieber auf Deutsch machen? taz: Sprechen Sie denn deutsch? Nein (lacht). Herr Silva–Herzog, Sie sagten in Ihrer Rede, es müsse nach der ersten Periode des Schuldenmanagements von 1982 bis 1987 jetzt eine neue Ära eingeleitet werden, weil es so nicht mehr weiterginge. Nun haben Sie persönlich 1982 mit der Erklärung der Zahlungsunfähigkeit Mexikos die erste Periode mit einem Paukenschlag eingeleitet. Was für ein Paukenschlag wäre denn jetzt nötig? Seit 1982 ist viel passiert im Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern. Jetzt ist anerkannt, daß die Verantwortung für das Schuldenproblem verteilt werden muß. Schuldner, Gläubiger, die multilate ralen Institutionen und die Regierungen, sie alle sind verantwortlich. Die Lösung muß also von allen kommen. Bis jetzt haben wir eine Finanzkrise verhindern können, aber die Kosten, die die Schuldnerländer dafür bezahlen mußten, waren zu hoch. Weiterverhandeln heißt, aller Wahrscheinlichkeit nach, weiter durchwursteln. Wäre da nicht ein ähnlich spektakuläres Ereignis wie 1982 dienlicher? Politisch und wirtschaftlich fände ich es besser, die neue Runde ohne Krise einzuläuten, die außer Kontrolle geraten kann. Wenn keine Veränderung kommt, sollte aber niemand meinen, die lateinamerikanischen Länder würden noch eine Dekade lang Stagnation hinnehmen können. Wo ist denn die neue Qualität in ihren Vorschlägen? Würde die Schuldenkrise dadurch nicht lediglich verlängert? Das Problem ist in der Tat, daß das Schuldenproblem nicht durch noch mehr Schulden gelöst werden kann. Die Schuldenlast muß also verringert werden, was gleichbedeutend wäre mit neuem Geld. Eine Zinssenkung um beispielsweise zwei Prozent würde mehrere Milliarden Dollar ausmachen. Das würde allen weiterhelfen, schließlich mußten auch wegen der hohen Zinsen die Importe aus den Gläubigerländern gedrosselt werden. Warum drängen Sie nicht mehr auf einen zumindest partiellen Schuldverzicht? Das wäre auch eine Möglichkeit, ich sehe aber größere Chancen für eine Zinsreduzierung... .. entsprechend dem sogenannten Herrhausenplan... ..exakt. Aber läuft denn nicht schon ein - wenn auch marktwirtschaftlicher - Schuldenverzicht durch den Handel von Drittweltschulden auf dem Sekundärmarkt und dem Umtausch von Forderungen in Direktinvestitionen, sogenannte „Debt–to–Equity– Swaps“? Sicher, das ist auch eine Alternative, die den Schuldnerländern etwas Entlastung verschafft hat. Die Debt–to–Equity–Swaps haben eine Reihe von Problemen. Aber die Teilhabe der Schuldnerländer an dem Abschlag, mit dem ihre eigenen Schulden auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden, dürfte für die nächsten Jahre ein vielversprechender Weg sein. Schätzungen über das Potential des Sekundärmarktes gehen auf 300 Milliarden Dollar, das wäre ein Viertel der gesamten Drittweltverschuldung. Ich kenne nicht die Basis für diese Schätzungen. Ich weiß nur, daß dieser noch recht dünne Markt dennoch starke Wachstumsraten aufweist. Warum sollte er nicht weiterwachsen? Viele Banken sind daran interessiert. Aber die Banken müssen entsprechend ihre Schulden abschreiben, Wertberichtigungen vornehmen. Die europäischen und die japanischen Banken haben bereits substantielle Rückstellungen gebildet. Befürchten Sie aber durch die Umwandlung von Schulden in Direktbeteiligungen an Hotels, Fabriken und anderem zum Discountpreis nicht eine Art Ausverkauf der Schuldnerländer? Die ausländischen Direktinvestitionen eröffnen enorme Möglichkeiten, aber natürlich gibt es politische Beschränkungen. In jedem Land gibt es öffentliche Unternehmen, die dafür nicht in Frage kommen. Die lateinamerikanischen Länder sind jedoch dabei, ihre Grenzen für Direktinvestitionen zu öffnen. Mexiko hat etwa 100 Unternehmen verkauft, mit weiteren 100 laufen gerade Verhandlungen - in Branchen, die nicht aufgrund strategischer Bedeutung davon ausgenommen sind... ..bislang noch. ..ja, das stimmt. Wenn der finanzielle Druck größer wird, dürften noch mehr Beschränkungen fallen. Ausländische Banken schielen beispielsweise auf die mexikanische Telefongesellschaft oder den brasilianischen Energiekonzern Petrobras. Müssen Sie nicht noch mehr anbieten, um noch mehr Debt–to–Equity–Swaps durchführen zu können? Das hängt von den einzelnen Verhandlungen ab, aber die Swaps sind ein vielversprechender Weg. Die lateinamerikanischen Staaten dürften flexibler werden, was die Beschränkungen angeht. Demnächst also Telefono Mexico in US– amerikanischer Hand? Das weiß ich nicht (lacht). Ein Argument gegen einen Schuldverzicht seitens der Gläubiger ist stets, man könne keinen „Vergleich“ durchführen, wie er in der Marktwirtschaft zur Abwendung eines Konkurses auf der Tagesordnung steht, bei uns etwa im Falle der AEG. Die Gläubiger könnten angeblich nicht beim Schuldnerland das Management auswechseln wie bei einem Pleiteunternehmen. Der brasilianische Finanzminister Funaro mußte doch aber auch aufgrund des Drucks der Banken gehen. Das sehe ich nicht so. Ein inländischer Vergleich ist in der Tat etwas völlig anderes, als es gegenüber einem souveränen Schuldnerland der Fall wäre. Das war ja gerade der Grund für die immense Kreditausweitung. Jeder dachte, ein Land kann nicht pleite gehen. Was tatsächlich passiert, ist nicht die Auswechslung etwa von Regierungen, aber die fundamentale Änderung der Politik, das trifft auf alle lateinamerikanischen Länder zu. Aber die Politik wird doch von Politikern gemacht, deshalb wäre es doch nur logisch, wenn man auf ihre Auswechslung hinarbeiten würde. Ja, aber dann müßten wir auch Köpfe in der Geschäftsführung von Gläubigerbanken und -regierungen auswechseln, die ebenfalls dafür verantwortlich sind. Fragen: Uli Kunkel/Dietmar Bartz