Lafontaine bleibt Star der SPD–Saar

■ 17. Landesparteitag wählte DGB–Kritiker wieder / Heute „Zausestunde“ zum Thema Arbeitszeitverkürzung in Bonn

Aus Saarbrücken Felix Kurz

„Ihr müßt öfter klatschen, da kann ich dazwischen auch mal was trinken.“ Der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine bekam im Verlauf seines Referates auf dem 17. Ordentlichen Landesparteitag seiner Partei in Saarbrücken selten Beifall. Dennoch, der Altstar von der Saar bleibt die Nummer eins. Bei elf Enthaltungen, 57 Nein–Stimmen und 312 Ja– Sagern verlieh sich die Saar–SPD erneut ihren Oskar. Unübersehbar, die Schar seiner Kritiker hat sich verzehnfacht, denn bei der letzten Vorstandswahl 1986 votierten bei 362 abgegebenen Stimmen gerade fünf Delegierte gegen Lafontaine. Der wiedergewählte Parteichef der Saar–SPD sah in dem Votum „ein ehrliches Ergeb nis nach all den Rangeleien“ und war mit dem Ergebnis zufrieden. Dem stellvertretenden SPD– Bundesvorsitzenden ging es am Wochenende um jede einzelne De legiertenstimme, denn heute ist er zur „Zausestunde“ (Anke Fuchs) zum Thema Arbeitszeitverkürzung nach Bonn geladen. Dort wollen die DGB–Oberen mit Os kar Lafontaine Fraktur reden und ihn endgültig in die Schranken weisen. Doch der saarländische Ministerpräsident zeigte sich auf dem Parteitag kämpferisch wie selten und zog eine Spitze nach der anderen an die Adresse der Gewerkschaften ab. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Vor allem diejenigen, die ihm nachsagen, er habe von Tarifpolitik keine Ahnung, sollten das nicht in seinem Beisein sagen, denn das würde ihnen „schlecht bekommen“. „Die sollen sich dann warm anziehen“, riet er. Gerade seinen Kritikern empfahl er, seine Vorschläge erst einmal genau zu lesen und sie dann auch mit zahlreichen gewerkschaftlichen Richtlinien zu vergleichen. Dann nämlich käme man schnell zu dem Ergebnis, daß seine Aussagen „bester sozialdemokratischer Tradition“ entsprächen. Die Gewerkschaften sollten zudem den Streit dahin tragen, „wo er hingehört, in den DGB“. Dort seien seine Vorschläge umstritten. Den Krach zwischen SPD und DGB nannte Lafontaine einen „Nebenkriegsschauplatz“ und „was soll das Gequassel von der Einmischung in die Tarifautonomie?“ Die GEW habe sogar genau das beschlossen, was er im Moment verkünde. „Weiß das denn dort niemand mehr“, erzürnte sich Lafontaine, der an die Adresse seiner sozialdemokratischen Amtskollegen den Vorwurf richtete, daß man sich in seiner „Arbeitgeberstellung“ als Ministerpräsident „doch nicht verdrückt“. „Wann hat unser Gefasel von ungerechter Steuerpolitik irgendeine Konsequenz?“ Die lineare Tarifpolitik sei dort, wo sie Anwendung gefunden habe, „Umverteilung in die falsche Richtung“, nämlich von unten nach oben gewesen, die „wir auf Dauer nicht akzeptieren wollen“. Trotz Sockeltarifverträgen sei der jährliche Gehaltszuwachs bei einem kleinen Beamten der Besoldungsgruppe A4 (Briefträger) in den letzten 17 Jahren um 17.000 DM gestiegen, bei einem Beamten der Besoldungsgruppe A16 (Oberstudiendirektor) dagegen um 49.000 DM und bei einem Minister gar um 95.000 DM. Alle diejenigen in den Gewerkschaften, die diesen Trend bekämpfen, haben Recht, sagte Lafontaine wörtlich. Hier müsse man die Schritte zur Korrektur ansetzen. In der teilweise hitzigen bis gereizten Debatte auf dem Parteitag wurde Lafontaine unter anderem von Gewerkschaftsseite „elitäre Arroganz“ und „Populismus“ vorgeworfen. Opfer müßten jetzt nicht von den Arbeitnehmern, sondern im gewerkschaftlichen Verteilungskampf von den Arbeitgebern gefordert werden.