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Zweischneidig

■ Sowjetische „Schlampereien“ und die Atomkraft

Wenn die sowjetische Parteizeitung „Prawda“ den ukrainischen Behörden bei ihrem Umgang mit der Atomkraft „unglaubliche Schlampereien“ attestiert, kann uns das ja nur freuen. Endlich wird auch in der Sowjetunion „Tacheles“ über die ungeliebte Energieform geredet und den Verantwortlichen einiges Kopfzerbrechen bereitet. Die scharfe Kritik an dem Leichtsinn und der Leichtfertigkeit der Behörden jedenfalls wird Wasser auf die Mühlen jener sein, die seit der verhängnisvollen Katastrophe von Tschernobyl auch in der Sowjetunion vor dem weiteren Gebrauch der Atomkraft warnen. Gerade in der Ukraine ist die Öffentlichkeit seither sensibilisiert. Schriftsteller und Wissenschaftler schlagen immer eindringlichere Töne gegen die Atomkraft an. Erst im Januar haben 13 führende Wissenschaftler in der Literaturna Ukraina ihre Republik aus „ökologischen und hydrotechnischen“ Gründen für denkbar ungeeignet für den weiteren Ausbau der AKWs erklärt, und in der Zeitung des „Komsomol“ hat man zum gleichen Zeitpunkt die Mängel schon beklagt, die nun auch in der Prawda stehen. In Moskau hat sich zwar die Erkenntnis langsam durchgesetzt, daß bei der Durchführung des Atomprogramms Abstriche zu machen sind, doch eine Abkehr vom bisherigen Kurs war bei den Reformern nicht zu spüren. Nun sind die zentralen Planungsbehörden und die ukrainische Parteiführung in die Schußlinie geraten. Es würde sicher gut in das Konzept der Reformer passen, wenn der ukrainische Parteichef und Breschnewfreund Schtscherbizkij bis zur Parteikonferenz im Juni, auf der entscheidende Weichen für die Reform der sowjetischen Gesellschaft gestellt werden sollen, in Schwierigkeiten gerät. Die Instrumentalisierung der Atomkraft während der derzeitigen Machtauseinandersetzungen könnte zumindest für die Technokraten unter den Reformern, die den Ausbau der Atomenergie weiterhin betreiben, zum zweischneidigen Schwert werden: Die jetzt formulierte und im zentralen Parteiblatt veröffentlichte Kritik dürfte den Gegnern der Atomkraft Auftrieb geben. Erich Rathfelder

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