USA verlängern Wirtschaftsembargo

■ Reagans Anordnung gegen Nicaragua ohne Kongreß–Zustimmung / Katastrophale Wirtschaftslage: In Managua sind 25 Bauarbeiter im Hungerstreik für höhere Löhne

Managua (taz) - Mit der „ungewöhnlichen und außerordentlichen Gefahr“, die Nicaragua „für die nationale Sicherheit und die Außenpolitik der USA“ bilde, begründete US–Präsident Reagan am Montag seine Entscheidung, das am 1.Mai 1985 verhängte Wirtschaftsembargo gegen das mittelamerikanische Land für ein weiteres Jahr zu verlängern. Da die Anordnung aufgrund des Nationalen Notstandsgesetzes erlassen wurde, braucht ihr der Kongreß nicht zuzustimmen. Reagan gab seine Entscheidung drei Tage vor der geplanten Fortsetzung der Friedensgespräche zwischen der sandinistischen Regierung und der Contra bekannt. Ob die Verhandlungen in Managua morgen wiederaufgenommen werden, ist noch ungewiß. Die Contra–Führung drohte, das Treffen platzen zu lassen, wenn die Regierung nicht unverzüglich den Nachschub an Lebensmitteln und Medikamenten zu ihren Verbänden durchlasse. Die Regierung in Managua besteht auf der Einhaltung des Abkommens von Sapoa, wo sich die beiden Kriegsparteien darauf einigten, daß eine neutrale Organisation, also keine US–Institution, die Versorgung der Contras organisiert, und erst, wenn sie sich in die vereinbarten Zonen zurückgezogen haben. Im von Krieg und Embargo gebeutelten Nicaragua ist die wirtschaftliche Lage zwei Monate nach der Währungsreform katastrophaler denn je. In Managua sind 25 Bauarbeiter am Montag in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie gehören zu einigen Tausend Bauarbeitern, die seit 57 Tagen für höhere Löhne streiken. Auf einfachen Holzpritschen warten sie nun im Lokal ihrer Gewerkschaft SCAAS auf Nachrichten von den jüngsten Gesprächen zwischen ihren Führern und dem Arbeitsministerium. Die Unzufriedenheit der Bauarbeiter geht auf vergangenen Oktober zurück, als das Arbeitsministerium einen Normenkatalog verordnete, der die freien Kollektivverträge als Grundlage für die Lohnberechnung ablöste. Mit der Währungsreform Mitte Februar wurde auch die neununddreißigstufige Lohnskala neu festgesetzt. Sonderzahlungen und finanzielle Anreize für vorbildliche Erfüllung wurden kategorisch abgeschafft. Die Bauarbeiter kommen extrem schlecht weg. Facharbeiter verdienen 41,20 Cordobas pro Tag, Hilfsarbeiter gar nur 26,70. Zum Vergleich: Ein zehnjähriger Schuhputzer nimmt an guten Tagen 100 Cordobas ein. Die Löhne wurden auf ein System von Festpreisen für Grundnahrungsmittel ausgerichtet, das wenige Wochen nach der Währungsreform völlig zusammengebrochen ist. Denn die sogenannten „sicheren Versorgungskanäle“, über die jede Familie Reis, Bohnen, Öl und andere Nahrungsmittel beziehen sollte, sind ausgetrocknet. In vielen Bezirken werden als Ersatz bulgarisches Dosenfleisch und russische Sardinen ausgegeben. Reis und Bohnen, die traditionellen Nahrungsmittel, sind nur auf dem Markt zu kriegen, wo das Pfund Reis 20 Cordobas statt 4,10 kostet und das Pfund Bohnen 30 statt 5,75. Das gemeinsam mit der Währungsreform verabschiedete Wirtschaftspaket hat nicht gehalten, was es versprochen hat. Die Inflation beginnt wieder zu galoppieren, während die Gehälter eingefroren bleiben. Man rechnet damit, daß am 1.Mai die längst fällige Lohnanpassung verkündet wird. Die Regierung verteidigt ihr System der festen Löhne mit dem Argument, daß bei freien Kollektivverträgen die qualifizierten Arbeiter nicht dort Anstellung suchen, wo sie am meisten gebraucht werden, sondern in den Betrieben, die am besten zahlen. Solange die Staatsbetriebe wegen Ersatzteilmangel, Energienotstand, Materialproblemen und anderen Gründen nur zu 40 Prozent ausgelastet seien, müsse man die Beschränkungen in Kauf nehmen. Ralf Leonhard/thos