Ein letztes Mal „Cohabitation“

■ Die mit Spannung erwartete Fernsehdiskussion zwischen Chirac und Mitterrand zeigte Unterschiede nur in Formulierung und Akzentsetzung, nicht in den Grundlinien ihrer Politik / Ein fast harmonischer Ausklang

Aus Paris Georg Blume

Darauf hatte ganz Frankreich gewartet: Franois Mitterrand und Jacques Chirac im direkten Duell. Zwei Jahre lang hatten die beiden Männer ihren Landsleuten die größten Rätsel aufgegeben. Je undurchsichtiger die „Cohabitation“, das Zusammenleben eines sozialistischen Präsidenten mit einem gaullistischen Premierminister, den Franzosen während der letzten zwei Jahre erschien, je dramatischer sich die Auseinandersetzungen zwischen den beiden großen Kontrahenten zuletzt im Wahlkampf darstellten, desto stärker fieberte das Land dem Zeitpunkt entgegen, an dem endlich der Schleier über dem geheimnisvollen Geschehen an der Staatsspitze gelüftet werden sollte. Am Donnerstagabend schien der erhoffte Augenblick gekommen. Live im Fernsehen. Schon seit Wochen war das bevorstehende TV–Duell der Kandidaten für die Stichwahl am 8.Mai das Gesprächsthema Nummer eins. Presse und Fernsehen stritten über die Form der Diskussion und welche Journalisten für die höchste Ehre erwählt würden, das Gespäch zu leiten. Man meinte, es würde zwischen den beiden knapp werden und der Sieger erst nach dem Duell feststehen. Darin aber hatten sich alle getäuscht. Am Sonntag hat der erste Wahlgang über den neuen (und alten) französischen Präsidenten bereits entschieden, und so kämpften die TV–Gegner unter veränderten Vorzeichen. Das vorzeitige Wahlkampfende ermöglichte eine politische Bilderbuchdebatte. „Die Cohabitation wurde vom französischen Volk gewollt, und wir haben diesen Willen respektiert. Gemeinsam haben wir über die Interessen Frankreichs gewacht.“ Die einleitenden Worte des Abends, von Mitterrand gesprochen, zeichneten den Gesprächsverlauf vor. Ob zu den Fragen Europas, der Außen– oder Verteidigungspolitik, ob in Sachen Ausländerpolitik oder innere Sicherheit, die Kandidaten unterschieden sich in Formulierung und Akzentsetzung, nicht in den Grundlinien ihrer Politik. Der Abend wäre langweilig geworden, hätten die Kandidaten nicht mit Witz, Ironie und Spontaneität geglänzt. Allerdings gelang auch ein echter Schlagabtausch. Chirac warf Mitterrand die Amnestie von Action–Directe–Mitgliedern (1981) vor, und Mitterrand stand mit dem Rücken zur Wand. Er konterte mit der Freilassung von Wahid Gordji unter Chirac, jenem Dolmetscher der iranischen Botschaft zu Paris, der der Beteiligung an Attentaten in Frankreich verdächtigt war. Mitterrand behauptete gar, Chirac wäre von der Schuld Gordjis überzeugt gewesen. Nur in diesem Augenblick des Gesprächs drohte sich der gute Geist der Cohabitation zu verflüchtigen. Doch schnell wurde das Thema fallengelassen. Letztendlich hat Frankreich erfahren, wie in den letzten zwei Jahren in Paris regiert wurde. Ein letztes Mal spielten Mitterrand und Chirac jeder ihre Cohabitations–Rolle. So gut, wie sie es zwei Jahre lang taten.