Menschenrechte - kein Wirtschaftsthema

■ Die Außenminister der EG und der ASEAN–Staaten treffen sich zur Pflege guter Beziehungen

Seit gestern tagen in Düsseldorf die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft und des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN), um über eine Intensivierung ihrer Kooperation zu beraten. Von hohen Wachstumsraten in den Handelsbilanzen war die Rede, doch die Bilanz der Menschenrechtsverletzungen in den ASEAN–Staaten stand nicht auf der Tagesordnung. Aus gutem Grund, denn die ASEAN–Länder sind der drittgrößte Handelspartner der EG.

Zum zehnten Mal treffen sich in Düsseldorf die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft und der ASEAN–Staaten zu ihren alljährlichen Beratungen. Auf der Tagesordnung dieses Jubiläumstreffens steht der verstärkte Ausbau der Wirtschafts– und Handelsbeziehungen zwischen der EG und den sechs Staaten der Association of South East Asian Nations, der Vereinigung südostasiatischer Länder. 320 Millionen Menschen, so viele wie in ganz Lateinamerika, leben in den Mitgliedsländern Indonesien, Malaysia, Thailand, den Philippinen, Singapur und Brunei. Aber auch außenpolitische Themen werden angesprochen: Die Lage in Kambodscha und Afghanistan und die Situation der Flüchtlinge in Indochina. „Südostasien ist durch den Zusammenschluß der ASEAN–Staaten zu einer Zone der Stabilität, des Wachstums und der Prosperität geworden - ASEAN gehört die Zukunft“, schwärmte Gastgeber Hans–Dietrich Genscher noch vor kurzem. Stolz verweist die EG auf Erfolge: Der Handel wächst, erstmals sind in der Bilanz der ASEAN–Staaten mit der EG schwarze Zahlen zu finden. 1987 erzielten sie einen Überschuß von 1,2 Milliarden ECU (ca. 2,5 Milliarden DM). Zwischen 1980 und 1986 nahm der Anteil der Fertigprodukte an den Exporten in die EG rapide zu und dürfte im letzten Jahr die 50–Prozent–Marke überschritten haben. Magere Resultate Doch in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Weltregionen klaffen Wunschdenken und Realität weit auseinander. Gegenüber Japan und den USA, die in Westeuropa als Hauptkonkurrenten bei der „pazifischen Herausforderung“ angesehen werden, hat die EG nach wie vor wenig zu melden. In keinem Land der EG übersteigt der Handel mit den ASEAN–Staaten die Zwei–Prozent–Schwelle. Zwischen 1981 und 1984 nahm der Anteil der ASEAN–Importe aus der EG sogar von 14 auf 11 Prozent ab. Gemessen am Welthandelsaufkommen ist er auch weiterhin rückläufig. 1986 sorgten Dollar– und Ölpreisverfall für einen noch schärferen Einbruch, von dem sich der Handel im letzten Jahr noch nicht erholt hat. 1987 kamen 37 Prozent der Auslandsinvestitionen in den ASEAN–Staaten aus Japan, 16 Prozent aus den USA und nur 13 Prozent aus der EG. „In Thailand stehen wir nur an zehnter Stelle der wichtigsten Auslandsinvestoren“, klagt denn auch Hans–Peter Stihl, Chef der Motorsägen–Firma und Präsident des Deutschen Industrie– und Handelstages. Nicht einmal fünf Prozent der bundesdeutschen Auslandsinvestitionen gehen in den ostasiatisch–pazifischen Raum - im langfristigen Vergleich mit den USA und Japan hat die deutsche Wirtschaft in der ganzen Region sogar Marktanteile verloren. Der Grund: Westeuropas Unternehmer gehen realistischer vor als die Politiker und Verbandssprecher. In Singapur und den angrenzenden malaysischen Gebieten steigen die Löhne. Die Philippinen gelten als in höchstem Maße unsicher. Zudem nehmen bei High–Tech–Produktionen die Lohnkosten rapide ab - da können automatisierte Fabriken auch direkt in Irland oder Spanien aufgestellt werden. Vor allem sorgt die EG mit ihren protektionistischen Maßnahmen dafür, daß den heimischen Unternehmern keine allzu große Konkurrenz durch Waren aus Südostasien erwächst. Hinzu kommt, daß die Region kaum einen „Markt“ bildet. Auch erreicht die Zusammenarbeit innerhalb der ASEAN–Staaten nicht annähernd die Kooperation innerhalb der EG. Nicht einmal 20 Prozent ihrer Im– und Exporte wickeln die Staaten untereinander ab - dazu sind die nationalen Ökonomien entweder zu ähnlich oder zu unterschiedlich. Einig sind sich die ASEAN–Regierungen nur in ihrem strammen Antikommunismus. Kaum Gemeinsamkeiten Im Schatten des Vietnam–Krieges wurde die ASEAN 1967 in der thailändischen Hauptstadt Bangkok gegründet. Als außenpolitische Klammer gilt bis heute die gemeinsame Unterstützung der Sihanouk–Truppen gegen die vietnamesische Besatzung in Kambodscha. Nach innen blieb das Integrationsniveau zwischen Staaten mit so unterschiedlichen historischen und kulturellen Traditionen wie dem buddhistischen Thailand, dem islamischen Indonesien und Malaysia oder den katholischen und amerikanisierten Philippinen jedoch gering. Auch lieferten die vier Flächenstaaten über Jahrzehnte hauptsächlich Rohstoffe. Malaysia, Thailand und Indonesien exportierten Kautschuk, Zinn und Tropenhölzer. Für Malaysia und Indonesien kommen Rohöl und Palmöl als wichtige Devisenquellen hinzu, für Thailand das Futtermittel Tapioka. Der Preisverfall für die Rohstoffe in den 80er Jahren sorgte für ein rapides Ansteigen der Rezession und der Verschuldung, noch verstärkt durch die Verluste, die Indonesien als wich tiges Förderland durch den Ölpreisverfall hinnehmen mußte. Ganz anders sieht es hingegen beim Stadtstaat Singapur und im Sultanat Brunei aus - die ultrareiche Öldiktatur wurde nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1984 das sechste ASEAN– Mitglied. Singapur, das nach der scharfen Rezession von 1986 wieder zum Musterland des Wirtschaftswachstums wurde, ist extrem vom transpazifischen Handel abhängig. Der Beginn der Außenminister– Gespräche im Jahr 1978 geht auf eine Initiative des heutigen Gastgebers Genscher zurück. Ende der 70er Jahre war die EG soweit integriert, daß eine EG–eigene Außenpolitik beginnen konnte. Mit der Idee regionaler Kooperationen stieß Genscher zunächst jedoch auf Widerstände bei seinen europäischen Amtskollegen. Aber das hat sich längst gegeben - im Rahmen der EG ist manches möglich, was in den Kabinetten daheim nicht durchzusetzen ist. So engagiert sich die EG seit Jahren auch in den mittelamerikanischen Verhandlungen, um den MCCA, den „Gemeinsamen Markt von Zentralamerika“, wiederzubeleben, und am 14. Juni soll in Luxemburg ein Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit mit dem Golf–Kooperationsrat abgeschlossen werden. Das kann den USA nur recht sein. Denn dadurch werden auf Dauer möglicherweise nicht nur ihre Handelsbilanzen, sondern auch die Militäraufwendungen entlastet. Dietmar Bartz/Clemens Ludwig