MAD kann Schwulen–Hatz nicht lassen

■ Schwuler Unteroffizier der Bundeswehr zum zweiten Mal zwangsversetzt / Homosexualität macht erpreßbar und wird zum Sicherheitsrisiko, glaubt der Geheimschutzbeauftragte, auch wenn man sich zu ihr bekennt

Aus Trier Hans Thomas

Die Vorstellung, ein Homosexueller könnte bei der Bundeswehr Einblick in streng geheime Unterlagen haben, behagt dem Geheimschutzbeauftragten des Bonner Verteidigungsministeriums offenbar überhaupt nicht. Zum zweiten Mal müssen deshalb jetzt Gerichte klären, ob einem homosexuellen Unteroffizier aus Trier der Zugang zu streng geheimen Unterlagen der Bundeswehr verwehrt werden darf. Eigentlich schien die Sache klar: Im August 1986 war dem 26 Jahre alten Stabsunteroffizier Michael Auer eröffnet worden, daß er fortan keinen Zugang mehr zu geheimen Verschlußsachen an seinem Arbeitsplatz beim Fernmeldebereich 70 der Luftwaffe in Trier habe. Weil durch diesen Entzug des „Sicherheitsbescheids“ der strengsten Geheimhaltungsstufe II keine „Verwendung“ mehr für Auer in Tier bestand, wurde er kurzerhand in das „Systemzentrum Eifel der Luftwaffe“ nach Birkenfeld versetzt, wo man anscheinend weniger zu verber gen hat. Zur Begründung der einschneidenden Maßnahmen gegen Auer, dem im übrigen dienstlich nur das Beste bescheinigt wird, heißt es in einer Verfügung: „Unteroffizier Auer bietet entsprechend festgestellten sexuellen Verhaltens nicht die Gewähr, Inhalte von Verschlußsachen, die ihm während seiner Tätigkeit innerhalb der Aufklärungszentrale bekanntgeworden sind, entsprechend den Bestimmungen zur Geheimhaltung zu behandeln.“ Erpreßbarkeit sei wegen seiner Homosexualität, zu der Auer sich seit langem offen bekennt, nicht auszuschließen. Auer fühlte sich diskriminiert und klagte mit Erfolg vor dem Truppengericht Süd in Karlsruhe gegen die Versetzung und den Entzug des Sicherheitsbescheids. Im August 1987 erklärte das Truppengericht den Entzug des Sicherheitsbescheids für rechtswidrig, weil „die Tatsache der Homosexualität für sich allein“ nicht als Sicherheitsrisiko betrachtet werden könne. Weil Auer sich seit langem offen zu seiner Homosexualität bekenne und mit einem festen Partner „in einer eheähnlichen auf Dauer angelegte Partnerschaft in geordneten finanziellen Verhältnissen lebt“, könne auch keine Angriffsfläche für eine Erpressung durch „gegnerische Dienste“ unterstellt werden. Der Soldat bekam also wieder Zugang zu belauschten Funkgesprächen aus dem Osten, und seine Versetzung wurde rückgängig gemacht. Die Vorstellung, daß ein Schwuler weiterhin Zugang zu geheimen Verschlußsachen hat, fuchste den Geheimschutzbeauftragten der Hardthöhe offenbar jedoch so sehr, daß er im Februar - kein halbes Jahr nach dem Urteil aus Karlsruhe - den Kommandeur Auer erneut anwies, das Spiel von vorne zu beginnen. Wieder wurde dem 25jährigen das magische Papier entzogen, und so mußte Auer wieder die Koffer packen und nach Birkenfeld ziehen. In einem als „Verschlußsache - Nur für den Dienstgebrauch“ gekennzeichneten Fernschreiben an den Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in München, bei dem der Anwalt Auers Beschwerde gegen die Versetzung eingelegt hat, argumentierte das Ministerium einerseits erneut mit Auers „Zugehörigkeit zur Gruppe der Homosexuellen“. Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) hätten ergeben, daß der Soldat „neben der Dauerpartnerschaft auch kurzfristige und wechselnde Partnerbeziehungen in der Trierer Homosexuellenszene angestrebt“ hätte. Weil aber alle Welt über Auers Homosexualität Bescheid weiß, wird er jetzt nach Überzeugung der Hardthöhe deshalb erpreßbar und zum „Sicherheitsrisiko“, weil er seinen Partner schützen wolle: „Der Antragsteller ist gewillt - und verhält sich entsprechend -, alles zu unterlassen, was die berufliche Entwicklung seines Partners beeinträchtigen und das Bekanntwerden der Partnerschaft fördern könnte.“ Damit bestünden „hinreichende Anhaltspunkte“ für die Erpreßbarkeit des Soldaten. Ein Termin für die Gerichtsentscheidung steht noch nicht fest: Für Auer heißt es weiter, aus gepackten Koffern zu leben.