Ein netter grüner Gigant?

■ Die Weltbank hat die Umwelt entdeckt - und erkannt, wie profitabel deren Verwertung ist /Öko–Politik soll drei Fliegen mit einer Klappe schlagen

Die Weltbank hat die Umwelt entdeckt. Sie will sich künftig stärker einer umweltverträglichen Entwicklung in den Ländern der Dritten Welt widmen. Im Hinblick auf die teilweise katastrophalen sozialen und ökologischen Folgewirkungen ihrer Kredite hat die Weltbank einen Lernprozeß durchgemacht. Sie sucht heute erkennbar nach Wegen und Methoden, durch kompensatorische Sozialmaßnahmen, Umweltanalysen und geeignete Umweltschutzmaßnahmen bei der Projektplanung und -durchführung den Strukturanpassungsprozeß in den Ländern der „Dritten Welt“ langfristig zu sichern. Mit dieser Ankündigung hat die Weltbank neue Hoffnungen und Spekulationen um die Reformierbarkeit dieser größten internationalen Entwicklungsagentur genährt. Welches Interesse hat die Weltbank, sich mit der Umweltproblematik in der „Dritten Welt“ zu befassen? In einem Memorandum „Environment, Growth and Development“, das im April 1987 dem Entwicklungsausschuß der Weltbank zur Diskussion vorgelegt wurde, wird mit zahlreichen Beispielen belegt, wie sehr die Weltbank bisher in ihren volks– und betriebswirtschaftlichen Berechnungen und Empfehlungen den Faktor Umwelt ausgeklammert oder vernachlässigt hat. Das Weltbankmanagement hat erkannt, daß die fortschreitende Umweltzerstörung in der „Dritten Welt“ „eine tragfähige Entwicklung mit Wachstum“ nachhaltig gefährdet. Der jährliche Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flächen durch Abholzung, Versteppung und Bodenerosion ist einer der wichtigsten Gründe, der jede weitere ökonomische Entwicklung verhindert. Laut Berechnungen der Weltbank gehen jährlich durch die Ausbreitung der Wüsten sechs Millionen Hektar, durch die Abholzung der Regenwälder elf Millionen Hektar und durch Bodenerosion sechs Millionen Hektar land– und forstwirtschaftlich nutzbare Fläche verloren. Die volkswirtschaftlichen Kosten, die alleine durch die Flutkatastrophe im Ganges–Tal in Indien entstehen, werden auf eine Milliarde US–Dollar geschätzt. Bodenerosion, verursacht durch nicht angepaßte Landnutzungstechniken, und „versalzte“ Bewässerungsprojekte beeinträchtigen in erheblichem Umfang die Hektarerträge und damit die betriebswirtschaftlichen Gewinne gerade auch der von der Weltbank finanzierten Projekte. Selbst ein intensiver Düngemittel– und Pestizideinsatz - so die Weltbank - kann die Rentabilität dieser fehlgeplanten Projekte nicht sichern. Ähnliches gilt für großdimensionierte Staudammprojekte. Alleine zur Rehabilitation von Staudämmen (Beseitigung von Bodenablagerungen, Austausch der Turbinen) müßten die Länder der „Dritten Welt“ in den nächsten 15 Jahren ca. drei Milliarden US–Dollar aufbringen. Offen bleibt im bereits erwähnten Memorandum, wer die Verantwortung und damit die Folgekosten Weltbank–finanzierter Entwicklungsruinen übernimmt. Sollen Staudämme oder landwirtschaftliche Exportprojekte aufwendig rehabilitiert und instandgesetzt werden, womöglich durch neue, die Verschuldung anheizende Weltbank–Kredite? Dennoch, die wenigen Rechenbeispiele aus dem Memorandum belegen, daß die Weltbank ihr oberstes Ziel, Weltmarktintegration, durch Wachstum und Entwicklung, durch die zunehmende Umweltzerstörung in der „Dritten Welt“ gefährdet sieht. Bei der Umstrukturierung der Verwaltung im Jahre 1987 hat die Weltbank denn auch aus ihren Erkenntnissen institutionelle Konsequenzen gezogen: Aufgebaut wurde eine zentrale Umweltabteilung mit insgesamt drei Arbeitseinheiten, die dem für Sektorpolitik zuständigen Vizepräsidenten der Weltbank zugeordnet ist. 22 Experten haben die Aufgabe, die Grundlinien für die Planung und Forschung zu erarbeiten und auf deren Umsetzung in den Struktur– und Sektoranpassungsprogrammen sowie der Projektvergabe hinzuwirken. Zusätzlich zu diesem Sektorreferat wurden weitere ca. 30 Planstellen für Umweltexperten in den vier Regionalabteilungen eingerichtet. Neben Forschungsvorhaben zu zentralen Umweltproblemen (Versteppung, Entwaldung usw.), neben Umweltverträglichkeitsprüfungen und Umwelt–Monitoring bei Projekten gehört zum Arbeitsprogrammn der Umweltfachleute der Aufbau von Umweltverwaltungen in den Ländern der „Dritten Welt“. Außerdem hat der Präsident der Weltbank im Mai 1987 einer Empfehlung des Momorandums zugestimmt, die vorsieht, in 30 Ländern mit besonders gravierenden Umweltproblemen Länderstudien durchzuführen und diese in die allgemeinen wirtschaftspolitischen Analysen der Weltbank einzubringen. Fünf dieser „Umweltstudien“ werden derzeit erarbeitet. Die Notwendigkeit solcher Studien ist unbestreitbar. In Zweifel gezogen wird ihr Nutzen allerdings durch erste Erfahrungen bei der Durchführung einer Studie, die für Indonesien erstellt wurde. Die britische Umwelt– und Menschenrechtsorganisation Survival International kritisiert, die vorliegende Studie sei weit davon ent fernt, einen systematischen Überblick über die Umweltprobleme Indonesiens zu geben. So untersuchte sie beispielsweise nicht die indonesische Regierungspolitik gegenüber ethnischen Minderheiten, ein Hauptkritikpunkt beim Umsiedlungsprogramm Transmigrasi. Die Weltbank fürchtet offenbar die offene Konfrontation mit der indonesischen Regierung. Außerdem wurde die Studie nahezu ohne jede Beteiligung der lokalen Bevölkerung, einheimischer NGOs, indonesischer Wissenschaftler und ohne die regionalen Weltbankmitarbeiter durchgeführt. Die Studien werden nicht veröffentlicht, das Wissen bleibt in der Washingtoner Zentrale. Schon jetzt ist absehbar - so interne Quellen aus der Weltbank -, daß die Bereitschaft zu zeit– oder kostenaufwendigen Umweltstudien, deren Erkenntnisse sich nicht kurzfristig in Projekten materialisieren lassen, eher ab– als zunehme. Edward Barbier, der für das „International Institute for Environment and Development“ (IIED) an einer der indonesischen Studien teilgenommen hat, bezweifelt mittlerweile, ob eine Institution wie die Weltbank aufgrund ihrer zentralistischen bürokratischen Struktur und der Tatsache, daß die Mehrheit der 6.000 Mitarbeiter eher der „Betonfraktion“ als der „sensibilisierten“ armuts– und umweltorientierten Fraktion zuzurechnen ist, überhaupt reformiert werden könne. Ziel 1: Weltbank– Projekte rentabel machen Wenn die Weltbank ihr Engagement im Umweltbereich laufend verstärkt, so verfolgt sie damit drei zentrale Ziele: Erstens sollen gezielte Umweltschutzmaßnahmen die ökologischen Reproduktionsbedingungen verbessern und die Produktivität und Rentabilität der Projekte garantieren. Bereits zwischen 1983 und 1985 wurden in 60 Regenfeldbauprojekten Wasser– und Bodenschutzmaßnahmen durchgeführt und in 12 Bewäserungsprojekten Schutzvorkehrungen gegen Versalzung getroffen. Diesen Bereich des rentabilitätsorientierten Umweltschutzes wird die Weltbank kontinuierlich ausbauen und entsprechende Um weltverträglichkeitsprüfungen durchführen. Hier ist auch ein erheblicher Umwelttechnologietransfer aus dem Norden in den Süden zu erwarten. Ziel 2: Ressourcen für den Weltmarkt managen Zweites wichtiges Element des Weltbank–Engagements ist das Umwelt– und Ressourcenmanagement. Ziel hierbei ist, die produktiven Grundlagen für Wirtschaftswachstum und Weltmarktproduktion zu sichern, ehe sie durch ungehemmtes und unkontrolliertes Abholzen oder Überweiden für jede weitere profitable Nutzung verloren sind. Wichtige Elemente dieser Weltbank–Politik sind der Tropenwald–Aktionsplan sowie diverse „wildland“–Management–Strategien. Wesentlicher Bestandteil dieser Pläne ist die „Inwertsetzung“ bisher „unge nutzter“ natürlicher Ressourcen wie den Tropenwald oder Wildtierbestände. „Natürliche“ Land– und Wasserflächen sollen endlich für die kapitalistische Weltmarktpolitik effektiver genutzt werden. Auf der Strecke bleiben die Subsistenz– und Kleinbauern, sowie die kleinen Binnen– und Hochseefischer. Der großflächige Verlust artenreicher Ökosysteme soll durch die Einrichtung von Naturparks kompensiert werden: „Andere Flächen werden jedoch für die gegenwärtige und die zukünftigen Generationen von größerem Nutzen sein, wenn sie in ihrem Naturzustand belassen werden. Dies sind Flächen, die wichtige umweltpolitische Dienste oder wichtigen Lebensraum für gefährdete Arten liefern können“ (Bank News Release, 10.Juli 1986). Hier geht es nicht um den Erhalt intakter Ökosysteme und komplizierter Sozialsysteme, hier findet statt, was die betroffenen Menschen in der „Dritten Welt“ zu Recht als die „Verzonung“ ihrer Lebensräume bezeichnen. Die „Natur“ für die kapitalistische Produktion optimal zu verwerten, steckt auch hinter den Plänen des sogenannten „Wildlife Managements“. Im südlichen Afrika (Botswana, Zimbabwe) wird daran gedacht, die Gnu– und Antilopenherden zu „bewirtschaften“, statt weiterhin die Rinderproduktion für einen wenig aufnahmefähigen Weltmarkt zu forcieren. Die meisten Erfahrungen mit dem Management natürlicher Ressourcen hat die Weltbank bei Forstprojekten gesammelt, die sie seit 1968 fördert. In den letzten zehn Jahren wurden alleine in Aufforstungsprojekte eine Milliarde US–Dollars investiert. Schnellwachsende Eukalyptusarten werden beispielsweise für die holzverarbeitende Industrie und für Zellstoffabriken angepflanzt. Rein wirtschaftlich betrachtet, werfen diese Projekte stattliche Gewinne ab. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen dieser sogenannten „social forestry“–Projekte für die einheimische Bevölkerung werden seit langem von Wissenschaftlern aus den betroffenen „Dritte Welt“–Ländern beschrieben. Die aufgeforsteten oder umgewandelten Gebiete haben mit der ursprünglichen Bedeutung eines Waldes längst nichts mehr zu tun. Ökologisch sinnvolle Mischkulturen sind monokulturellen Holzplantagen gewichen, die von ausländischen Firmen oder reichen Farmern kontrolliert werden. Die ortsansässige Bevölkerung verliert ihre wirtschaftlichen und sozialen Existenzgrundlagen, muß auf weniger fruchtbare Böden oder in die Städte ausweichen. Noch nicht einmal das angestrebte Ziel der besseren Brennholzversorgung der städtischen und ländlichen Bevölkerung wird durch solche kreditfinanzierten Forstprojekte erreicht. Um die Kredite zurückzahlen zu können, muß das Brennholz zu einem Marktpreis verkauft werden, den die große Mehrheit der Bevölkerung nicht zahlen kann. Der Tropenwald–Aktionsplan der Weltbank, mit dem FAO, UNDP, der in die Rehabilitation und nachhaltige Bewirtschaftung der Feucht– und Trockenwälder acht Milliarden US–Dollar investiert werden sollen, ist die direkte Fortsetzung der „social forestry“–Programme. Er wird die Kommerzialisierung und Kolonialisierung der Wälder beschleunigen und die Bevölkerung, die bisher von den Reichtümern dieser Wälder gelebt hat, zu LohnarbeiterInnen machen und/oder vertreiben. Der Tropenwald–Aktionsplan wird deshalb von zahlreichen Organisationen aus den Ländern der „Dritten Welt“ abgelehnt. Ziel 3: Umwelt– Organisation integrieren Drittes wichtiges Element der Aktivitäten der Weltbank im Umweltbereich ist die Zusammenarbeit mit internationalen Umweltorganisationen. Insbesondere wegen der Finanzierung von Staudammprojekten, Industrieansiedlungen und Agrarexportprojekten mit ihren negativen sozialen und ökologischen Folgen ist die Weltbank heftiger internationaler Kritik ausgesetzt. Zahlreiche, insbesondere US–amerikanische Umweltorganisationen, pflegen mittlerweile den Dialog mit der Weltbank, um über bestimmte Auflagen (finanzielle Kompensation für zwangsumgesiedelte Indianerstämme, Umweltschutzmaßnahmen etc.), die sozialen und ökologischen Folgen bei Großprojekten zu mildern. Mit dem erheblichen Aufwand, mit dem die Weltbank Umwelt– und Menschenrechtsorganisationen umwirbt, verfolgt sie zwei Ziele gleichzeitig: Trotz der Ausweitung der Planstellen im Umweltbereich ist die Weltbank auf den wissenschaftlichen Sachverstand und auf die jeweiligen Ortskenntnisse, über die die nationalen und internationalen Umweltverbände verfügen, angewiesen. Mit dieser Einbindung der Umweltorganisationen in die Projektplanung und teilweise auch Durchführung dürfte es der Weltbank gleichzeitig gelingen, vorhandenes Protestpotential zu besänftigen bzw. die Akzeptanz für die wirtschaftliche Gesamtstrategie der Weltbank zu erhöhen. Nicht der Staudamm an sich und das dahinter stehende Industrialisierungskonzept werden in Frage gestellt. Lediglich die sozialen Härten und ökologischen „Auswüchse“ sollen aus den Projektkonzeptionen herausgenommen werden. Barbara Unmüßig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Bundestagsfraktion der Grünen