Wird Namibia für Frieden in Angola geopfert?

■ Die Außenminister Angolas, Südafrikas und Kubas treffen sich in Kongos Hauptstadt Brazzaville, um die Direktverhandlungen über die Beendigung des Kriegs in Angola fortzusetzen / Die vom Westen vorgeschlagene Kompromißlösung grenzt Namibia–Frage aus

Von Michael Fischer

Überraschend haben sich die Außenminister Angolas, Südafrikas und Kubas am Montag darauf geeinigt, die ersten direkten Gespräche seit 1984 über den Krieg um Angola schon am Donnerstag in Kongos Hauptstadt Brazzaville fortzusetzen. Letzte Woche hatten sich Diplomaten Südafrikas, Angolas, Kubas und der USA in London getroffen, um eine mögliche Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen in der ehemaligen, portugiesischen Kolonie und einen Abzug der Südafrikaner aus dem von ihnen widerrechtlich besetzten Namibia zu erörtern. Weiterverhandelt wird nun auf Ministerebene, ohne die USA, aber mit einem Vertreter der von Südafrika und den USA unterstützten UNITA–Banditen. Ob der südafrikanische Außenminister „Pik“ Botha, der vermutlich von Verteidigungsminister Malan begleitet werden wird, seinem angolanischen Kollegen Alfonso van Dunem wirkliche Zugeständnisse des Apartheid–Regimes übermitteln kann, bleibt weiter fraglich. An eine Verhandlungslösung könnten die Rassisten jetzt jedoch interessiert sein, nachdem sie trotz großer Anstrengungen und Verluste nicht in der Lage sind, das seit Monaten währende Patt auf dem Schlachtfeld im Südosten des seit 27 Jahren von Kriegen zermürbten Angolas aufzuheben. Außerdem bröckelt ihre Front, da sich die UNITA–Banditen untereinander und mit ihrem großen Bruder Botha zerstritten haben. Der tyrannischer Führungsstil des UNITA–Führeres Savimbi und seine komromißlose Politik der verbrannten Erde haben die Opposition in den eigenen Reihen herausgefordert. Die Kritiker wollen UNITA internationale Reputation verschaffen. Ohne Savimbi halten sie es außerdem für möglich, sich mit der angolanischen Regierung arrangieren zu können. Anders als bei den ergebnislos verlaufenen Verhandlungen vor vier Jahren wird bei der jetzigen Gesprächsrunde eine Lösung für möglich gehalten, weil Gorbatschow im Rahmen seiner neuen Außenpolitik angeblich auch in der Angola–Frage Flexibilität zeigt. Der sowjetische Afrika–Beauftragte war nach Vorgesprächen mit seinem US–Kollegen letzte Woche jedenfalls ganz enthusiastisch, daß der von Angola vorgeschlagene Vier–Jahres–Plan zum Abzug aller ausländischen Truppen aus dem umstrittenen Gebiet und zur Unabhängigkeit Namibias als Grundlage für ernsthafte Verhandlungen dienen könnte. An den Verhandlungspositionen hat sich über die Jahre wenig verändert. Für das Apartheids– Regime stand auch in London der Abzug der rund 40.000 in Angola stationierten kubanischen Truppen im Mittelpunkt. Von der Einlösung dieser Forderung macht das Regime seit Jahren den Abzug seiner Truppen aus Angola, vor allem aber aus Namibia abhängig. Zur Durchführung der UN– Resolution 435, die Namibia die Unabhängigkeit garantiert, werden die Rassisten sich nach 67 jähriger Kontrolle und lukrativer Ausbeute des Landes kaum durchringen können. Angolas Außenminister be harrte hingegen auf der Position: ein Ende der Unterstützung für die UNITA, die seit der Unabhängigkeit 1975 gegen die Regierung einen Zerstörungskrieg führt, und die Unabhängkeit für Namibia. Die kubanischen Truppen würden außerdem erst das Land verlassen, wenn Südafrika seine Truppen aus Angola zurückgezogen habe. Der Unterstaatssekretär im US– Außenministerium, Chester Crocker, versuchte als Verhandlungsleiter, Kompromißlösungen voranzutreiben: im Austausch für begrenzt freie Wahlen in Namibia, bei denen ein zu erwartender Wahlsieg der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO verhindert und gewisse Mitspracherechte Südafrikas gewährleistet werden müßten, soll UNITA an den Regierungsgeschäften Angolas beteiligt werden. Als Variante wird auch die Teilung Angolas vorgeschlagen. Für die angolanische Regierung waren solche Überlegungen bislang unzumutbar. Der andere Lösungsvorschlag sieht eine Beendigug der Unterstützung von Südafrika und den USA für UNITA im Austausch für die Beibehaltung des Status quo in Namibia vor. Die Ausgrenzung der Namibia–Frage würde allerdings der Glaubwürdigkeit der UNO und der Sowjetunion schaden, die seit mindestens 22 Jahren für die Unabhängigkeit Namibias eintreten. Dennoch wurde diese Position in den letzten Monaten mehrfach auch von britischen und bundesdeutschen Diplomaten geäußert. Der Vorsitzende der namibischen Minenerbeitergewerkschaft MUN, Ben Ulenga, der zur Zeit die Bundesrepublik bereist, hält diesen Lösungsvorschlag für lächerlich. Die angolanische Regierung wird nicht so naiv sein und glauben, daß Angola sicher sei, solange südafrikanische Truppen von Namibia aus weiterhin in Angola einfallen können. So gesehen, sind die Gespräche also doch nur die Fortsetzung des ergebnislosen, diplomatischen Tauziehens von vor vier Jahren.