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Das Gesicht der Intifada

■ taz–Gespräch mit Bassam Shaka, dem abgesetzten Bürgermeister von Nablus (Westbank)

taz: Es heißt oft, der Aufstand werde von einer neuen, jüngeren Generation von Palästinensern getragen. Wie beurteilen Sie als Vertreter der älteren Generation solche Äußerungen? Bassam Shaka: Das ist Propaganda. Die Demonstrationen dauern fünf Minuten, zwei oder drei Stunden, der Streik der Geschäftsleute dagegen 24 Stunden. Die Händler, die Lehrer, Professoren, unsere Organisationen sind der wirkliche Ausdruck des Aufstands. Sicher zeigen Jugendliche oder politische Aktivisten eine besondere Entschlossenheit, eine besondere Bereitschaft, ihr Anliegen zu erklären. Aber das ist nicht das Wichtigste. Niemand steht heute abseits, weder die Bewohner der Dörfer noch der Flüchtlingslager haben Hoffnung auf eine Zukunft unter der israelischen Besatzung. Das Gesicht der Intifada ist das Gesicht der palästinensischen Nation. Worin sehen Sie die wichtigsten Gründe für den Aufstand? Der Hauptgrund ist die Besatzung. Unsere Bevölkerung strebt nach einem eigenen Staat, nach Unabhängigkeit und Frieden. Ich möchte die Worte eines Freundes zitieren, der sagte, der Kampf ist jetzt unser tägliches Brot. Ohne Brot, ohne Kampf kann niemand in den besetzten Gebieten seine Rechte erlangen und auf eine Perspektive für die Zukunft hoffen. Sind Sie von den neuen Kampfformen des zivilen UngeVielleicht war unser Volk früher nicht dazu bereit. Vielleicht hat sich unsere Bevölkerung früher um ihre Autos und die Marke ihrer Schuhe gekümmert. Nun weiß sie, daß das eine Sackgasse für die Zukunft ist. Jetzt bepflanzen die Leute ihre Gärten, bebauen das Land. Ich zum Beispiel besitze viel Geld, ich könnte genauso weiterleben wie früher. Aber jetzt gebe ich nur noch ein Drittel dessen aus, was ich früher ausgegeben habe. Wie sind die Beziehungen zwischen der Leitung des Austands in den besetzten Gebieten und der Führung der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) im Ausland? Es handelt sich um die Beziehung zwischen rechter und linker Hand, den Augen, der Nase und dem ganzen Körper. Man kann die Führung im Innern und im Ausland nicht voneinander trennen. Wir gehören zu dem gleichen Volk, wir leben für die gleiche Zukunft, da gibt es keine Unterschiede. Welche Bedeutung messen Sie der Aussöhnung zwischen PLO– Chef Arafat und dem syrischen Staatschef Assad bei? Das ist ein sehr bedeutsamer strategischer Schritt. Nicht nur wegen der Wiedervereinigung der PLO mit den restlichen, in Damaskus ansässigen Gruppen, sondern auch, um die palästinensische und arabische Sache voranzutreiben. Die Palästinenser können ohne die internationale und arabische Ebene nichts erreichen. Wenn es einmal einen palästinensischen Staat gibt, heißt das dann auch Frieden mit Israel? Wir wollen unsere Rechte. Wir sind es nicht, die das Problem geschaffen haben. Wir wollen die palästinensische Frage insgesamt lösen, wollen einen israelischen Rückzug, einen unabhängigen Staat. Die palästinensischen Flüchtlinge in anderen arabischen Staaten müssen die Möglichkeit zur Rückkehr haben. Interview: B. Seel

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