Künstlich rinnt die Gartenschau

■ Für die Bundesgartenschau in Frankfurt 89 wird abgeholzt und plattgewalzt / Plastik–Bach soll Naturnähe betonen, doch Gericht ordnete Baustopp an

Aus Frankfurt Heide Platen

Gleich unterhalb der betonierten, stinkend trüben Nidda, unterhalb der Betonwege, auf denen RadfahrerInnen den FußgängerInnen den Spaziergang zur Hölle machen, beginnt das Gelände der Bundesgartenschau. Im März 1989, pünktlich zur Frankfurter Kommunalwahl, soll hier der Rummel beginnen. Als „naturnahe Landschaft“, als „Renaturierung“ der Niddaaue kündigt die Stadt das Ausstellungsgelände an. Dort, wo früher Wald und Wiesen, Felder und undurchdringliche Hecken, verwilderte Obstbäume, Kleingärten, ein Western– Club und ein kleiner Zoo ihr Domizil hatten, dehnt sich jetzt eine große Leere. Zoll für Zoll ist die Erde umgewälzt, sind die Wiesen in platten Rasen, Rasen und noch mal Rasen verwandelt worden. Die vormals dichten Hecken sind ausgedünnt. Sie stehen licht in Reih und Glied. Im Ginnheimer Wäldchen, einem Mischwald mit hohen Buchen, Anemonen und Veilchen, hat der Kehraus auch schon begonnen. Zerstörte Reste blühender Hecken sind zu Haufen gekarrt. Dazwischen windet sich ein „Bachlauf“ wie ein Reißbrett–Mäander. In ihm fließt nichts und wüurde von selbst auch nie etwas fließen: er muß künstlich gespeist werden. Jetzt ist nur ein Graben, der sorgfältig mit einer PVC–ähnlichen verschweißten Folie ausgelegt ist - spiegelglatt und kahl - zu sehen. Darunter schauen feuchtmuffige Filzmatten hervor. Zwei Jungen rutschen mit ihren Fahrrädern immer wieder über Filz und Plastik die Böschung hinunter. Ein älteres Ehepaar, das inmitten der Zerstörung wandert, schimpft auf die Kinder: sie würden „alles kaputt“ machen und sollten verschwinden. Hier entstehe doch schließlich „ein Gebirgsbach“, meint der Mann. Von Gebirge ist an der Nidda weit und breit keine Spur - nie gewesen. Auf der anderen Seite, da wo die Kleingärten waren, wird eine monumentale Straße in Richtung Fernsehturm gebaut. Die Kleingartenanlage dahinter ist mächtig aufgemotzt. Postmoderne Zäune und Gitter schließen an ordentliche „Stadtgrün“–Beete an. Auch hier sind die ehemaligen Wiesen einem gleichmäßigen kurzen Rasen gewichen. Da hat kaum ein Busch überlebt. Und wenn, ist er ins Beet gezwungen worden. Auch das Frankfurter Verwaltungsgericht mochte vorige Woche in dem plastikverkleideten Graben keinen natürlichen Bach sehen. Es sprach von einem „künstlichen Gerinne“, als es dem Antrag des Bundes für Umwelt– und Naturschutz (BUND) auf Baustopp stattgab und ordnete die Einstellung der Bauarbeiten an, zumindest für diesen Teil der Gartenschau. Das Gericht stellte fest, daß die Genehmigung des Regierungspräsidenten für das 2,5 Kilo meter lange und 2,5 Millionen Mark teure Rinnsal–Projekt im vergangenen Herbst nicht rechtmäßig gewesen sei. Die städtische Bundesgartenschau–Gesellschaft habe damit das erforderliche Planfeststellungsverfahren und die wasserrechtliche Genehmigung umgangen. Die Gartenschaugesellschaft hat gegen den Baustopp eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel angekündigt, Über die in etwa sechs Wochen entschieden werden kann. So lange ruhen die Bauarbeiten. Was dem Bach noch fehlt, außer der „naturnahen“ Abdeckung, die in Form von Sand und Kies schon bereit liegt, ist schlicht das Wasser. Die unterirdischen Rohre, die das Grundwasser aus einem Brunnen in den Bach pumpen sollen, sind noch nicht verlegt.