Starkes Interesse in der Dritten Welt

■ E. Schwammlein ist Direktor der Animal Sciences Division des US–Konzerns Monsanto für Europa und Afrika / Im Gespräch mit der taz verteidigt er das von Monsanto entwickelte Rinderwachstumshormon Bovine Somatropin (BST) als entscheidende Möglichkeit zur Produktivitätssteigerung in der Dritten Welt Den Kritikern gilt BST als Einstiegsdroge der Gen–Technik in die Landwirtschaft / Siehe auch Tagesthema auf Seite 3

taz: Mit dem Wachstumshormon BST wollen Sie die Produktivität der europäischen Milchkühe steiSchwammlein: Unserer Ansicht nach macht das natürlich einen Sinn. Sie haben ja gerade selbst das wichtige Stichwort Produktivität genannt. Das ist nämlich unser Anliegen. Wir sehen den Vorteil von BST darin, daß es die Produktivität der einzelnen Kuh verbessert, nicht die Gesamtmenge an Milch erhöht. Die wird ja durch Quoten limitiert. Sie können mit BST Milch billiger erzeugen. Und für viele Landwirte ist heute die billigere Erzeugung der einzige Weg, ihr Einkommen zu verbessern, weil sie ja wegen der Quoten nicht mehr erzeugen können. Auch diese Innovation wird in erster Linie den Großbetrieben, den agrarindustriellen KompleNeue Technologien, ich nenne da nur beispielhaft den Melkstand oder computergesteuerte Fütterungsanlagen, sind meist sehr kapitalintensiv. Natürlich sind kleine Betriebe da im Nachteil. Bei BST ist das aber ganz anders, weil es ja ein Mittel ist, das der Landwirt, wie Kraftfutter, monatlich kauft, monatlich bezahlt und monatlich bekommt er seinen Milchscheck. Deswegen sehen wir gerade für die kapitalschwächeren Betriebe eine Möglichkeit, dieses Produkt sehr gewinnträchtig einzusetzen. Weil es eben keinen Kapitalaufwand braucht. Macht der erhöhte Kraftfutterbedarf die Bauern nicht noch abDie meisten Rinder in der EG bekommen ein Gemisch aus Kraft– und Grünfutter. Wenn die Kuh mehr frißt, frißt sie von beidem mehr. Im Übrigen denkt man bei Kraftfutter oft an irgendwelche exotischen Mittel; aber die Kraftfutter in der EG bestehen hauptsächlich aus Weizen, Gerste und Mais, die hier in der EG angebaut werden. Also keine erhöhte Pharma– oder Chemieabhängigkeit durch BST–Einsatz? Bisher haben wir keinen Anlaß, das zu glauben. Wir haben jetzt Versuche gemacht mit etwa 5.000 bis 6.000 Kühen. Dabei hat sich nicht gezeigt, daß diese Kühe etwa stärker medikamentenabhängig werden oder anders reagieren als Kühe vergleichbarer Leistung ohne BST. Nebenwirkungen wie Streß oder erhöhte Anfälligkeit der auf Hochleistung getrimmten Kühe für Krankheiten, so die Kritik mancher Tierärzte, seien nicht ausreichend erforscht. Sie selbst kontern mit konzerneigenen posiDas stimmt. Das ist, als ob Sie ein Haus bauen: Wenn Sie den Keller fertig haben, weiß ein Außenstehender noch nicht, wie das endgültige Gebäude aussehen wird. Aber derjenige, der die Pläne hat, der weiß das. Genauso ist das bei uns. Wir haben intern viel mehr Daten als der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Daß Sie diese unter Verschluß halten, wird Ihnen ja gerade angeWir können sie der Öffentlichkeit noch nicht zur Verfügung stellen, weil zum einen die Registrierungsgesetze einzelner Länder das verbieten. Zum andern sind viele dieser Daten nicht unser Eigentum, sondern das der wissenschaftlichen Institute, die diese Daten erstellen. Es handelt sich hier ja um Grundlagenforschung. Ein Forscher will eine solche Arbeit, die sich ja über rund drei Jahre erstreckt - wir haben jetzt etwa eineinhalb Jahre hinter uns -, dann in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlichen. Danach erst sind die Daten allgemein verfügbar. Vorher ist es uns nicht gestattet, solche Daten zu veröffentlichen. Dann können Sie konkreten tiermedizinischen Bedenken vorSobald sich die Tiermediziner, ob die nun mit der Industrie verbunden sind oder nicht, alle Daten anschauen können, werden die meisten Bedenken ausgeräumt sein. Zur Marketingstrategie: Wieso haben Sie die BST–Zulassung geDafür gibt es gute Gründe. In Holland trat am 1. Mai 1987 ein Tierarzneimittelgesetz in Kraft, aber eben nur das Gesetz. Dazu gehören Verordnungen und Ausführungsbestimmungen, die noch gar nicht veröffentlicht wurden. Zu Deutschland: Wie Sie selbst wissen, hat die pharmazeutische Industrie gegen das Bundesgesundheitsamt geklagt, weil statt der sieben bis acht Monate, die das Gesetz vorschreibt, die Antragsverfahren fünf bis sechs Jahre dauern. Wir haben auch nur eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitern. Wir können einfach nicht in jedem Land Europas einen Antrag stellen mit einem langwierigen Verfahren und vielen Rückfragen. Warum also nach Deutschland gehen, wo man von vornherein weiß, daß es Jahre dauern kann. Spielen nicht auch die traditionellen Einflußzonen der beiden Ex–Kolonialmächte England und Frankreich in der Dritten Welt eine Rolle? Diese Länder stützen sich mangels eigener TestmöglichRichtig. Die Regierung in Indien ist beispielsweise sehr, sehr stark an diesem Produkt interessiert, weil in Indien ein enormer Bedarf an Milch besteht. Die durchschnittliche Milchleistung dort liegt bei etwa 800 bis 900 Kilogramm pro Kuh. Es ist sehr schwierig, die Milchleistung über Zuchterfolge schnell zu steigern. In Europa hat das auch Jahrzehnte gedauert. Die indische Regierung würde sehr gerne diese Technologieen einsetzen, um die Milchleistung auf, was weiß ich, sagen wir auf 1.200, 1.300 oder 1.400 Liter jährlich zu steigern, was in Indien unheimlichen Wert hätte. Es gibt auch sehr starkes Interesse in vielen anderen Ländern der Dritten Welt. Ich kann Ihnen Zimbabwe nennen, auch Ägypten, Tunesien, Lybien, Zaire und Nigeria. Großes Interesse besteht auch in Lateinamerika. Da sind Gespräche mit uns im Gange. Haben Sie in Indien oder anderen Dritte–Welt–Ländern schon Lizenz–Anträge laufen? Monsanto hat in Indien noch gar nichts unternommen. Ich weiß aber von anderen Firmen, daß sie mit der indischen Regierung im Gespräch sind. In einem Pro gramm der indischen Regierung spielen die Biotechnologien, insbesondere Somatotropin und ähnliche Substanzen, eine große Rolle. BST wird oft als die Einstiegsdroge der Gentechnologie in die Landwirtschaft bezeichnet. Ein Weltkonzern wie Monsanto opeEs ist allgemein bekannt, daß Montsanto sehr stark in der biotechnologischen Forschung engagiert ist. Wir sind momentan sehr interessiert, die Effektivität des BST zu verbessern; d.h. pro Milligramm Produkt mehr Milch, um auch die Zeit zwischen den Injektionen zu verlängern. Damit man anstelle von alle zwei oder vier Wochen nur noch alle zwei oder drei Monate injizieren muß. Darauf wird also viel Forschung verwendet. Könnten Sie uns etwas über zukünftige Projekte sagen? Wir versuchen im Moment, die Belange zu berücksichtigen, die an uns herangetragen werden. Man hört immer, die Leute wollen eine bessere Qualität der Nahrungsmittel, etwas für die Gesundheit. Da schauen wir natürlich nach, welche Möglichkeiten es gibt, die Fleischqualität zu verbessern, etwa den Anteil des Fettes am Tier zu verringern. Daran besteht großes Interesse in Deutschland, weil gerade dort viele Hausfrauen mit der Qualität einiger Fleischsorten nicht einverstanden sind. Das Hauptgebiet der Biotechnologie bei Monsanto liegt jedoch im Humansektor und auf der pflanzlichen Seite. Da wird im Moment viel mehr getan als im Tierbereich. Da ist man in der Grundlagenforschung auch schon weiter fortgeschritten. Dazu ein Beispiel: Wenn man im Raps die einzelnen Ölarten gemäß den Wünschen der Industrie verändern könnte, also die Fettsäuren und andere Stoffe steuern könnte, dann könnte man daraus Industrieprodukte herstellen, die jetzt noch aus Erdöl gewonnen werden. Wir betreiben sehr stark Forschung in diese Richtung. Wir forschen auch in die Richtung, den Proteingehalt des Weizens und seine Resistenz gegen Schädlinge zu erhöhen. Unsere Hauptgebiete sind also Stoffe für die menschliche Medizin und die Pflanzenzüchtung. Ihr Beispiel vom Raps zeigt den Trend: Landwirtschaft nicht mehr als Nahrungsmittellieferant für den Menschen, sondern als RohJa, aber nur in einem bestimmten Ausmaß. Das geht nur mit bestimmten Produkten auf Eiweißbasis. Im Bericht der deutschen Enquete–Kommission (des Bundestages, d.Red.) können Sie Expertenaussagen nachlesen, wonach das Euter der Kuh sehr geeignet ist, um biotechnologische Produkte herzustellen. Denn das sind ja alles Eiweißprodukte. Nicht nur BST, auch Interferone, Interleukine oder Humaninsulin. Man könnte eines Tages so weit sein, daß das Euter der Kuh dazu benutzt wird, solche Produkte herzustellen. Ich bin selbst kein Naturwissenschaftler. Aber ich weiß, daß verschiedene Forschungsinstitute in der BRD, zum Beispiel das Max–Planck–Institut in Köln, daran arbeiten. Überall wird in diese Richtung geforscht. Kürzlich fand hier in Brüssel das erste große europäische SymIch bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage. Wir haben bei Monsanto ein sogenanntes „Social Responsibility Committee“. Es besteht aus Leuten der Firma, aber auch aus Außenstehenden. Dieses Komitee begutachtet: In welche Richtung geht ihr? Was macht ihr denn überhaupt? Ist es ethisch, sozial und wirtschaftlich vertretbar? Die Pestizide in der Dritten Welt sind so ein Beispiel. Das Komitee erarbeitet Wegweiser und Richtlinien. Da kommt es oft zu sehr harten Diskussionen. Daraufhin haben wir uns schon mal aus einer Forschung zurückgezogen, haben aufgrund der Komitee–Anweisung gesagt: Das machen wir nicht mehr. Können Sie ein konkretes Beispiel geben? Die Übertragung von Genen vom Mensch auf Tiere. Manche Institute arbeiten in diesem Bereich im Rahmen der Grundlagenforschung. Solche Forschung wird bei Monsanto grundsätzlich nicht durchgeführt, weil das mit unserem ethischen Verständnis kollidiert. Ich persönlich hätte damit auch Schwierigkeiten. Ich könnte das nicht akzeptieren, wenn man so weit ginge, wirklich an der Schöpfung zu manipulieren, in dem Sinne, daß man Gene vom Mensch auf Schweine oder Hunde überträgt. Solche Skepsis wird bei Monsanto auch berücksichtigt. Es gibt für Sie also eine ethische Grenzlinie? Ganz klar. Ich bin Christ, und zwar sehr engagierter Christ, nicht nur Kirchenmitglied. Ich diskutiere diese Fragen öfters in Kirchengremien, die sich mit diesen Fragen - Biotech, wo führt das hin? - beschäftigen. Ich habe ja auch als Monsanto–Angestellter meine persönliche Meinung. Mit dem, was da in einigen Instituten läuft oder laufen soll, was man da so lesen kann, stimme ich nicht überein. Für mich gibt es da Grenzen. Bisher mußte ich zwischen meinen ethischen Vorstellungen und dem, was in meiner Firma läuft, keine Kompromisse schließen. Ich glaube auch, daß Firmen, die verantwortungsbewußt arbeiten, in fragwürdige Projekte nicht einsteigen können. Mal angenommen, Monsanto bekommt für BST keine Lizenz. Wie viele Millionen sind dann in den Sand gesetzt? Ich kann Ihnen nur sagen: Es hat sehr, sehr viel gekostet. Es wird von einer halben Milliarde Dollar gemunkelt. Nein, das ist überzogen. Eine halbe Milliarde Dollar - wer kann sich das leisten? Wir haben von Anfang an gewußt, daß es keine leichte Sache sein wird, das durchzusetzen, daß darin ein großes Risiko liegt. Aber selbst wenn BST in bestimmten Regionen einige Jahre verhindert werden sollte, war die Forschung immer noch ihr Geld wert. Denn wir haben ja viel gelernt. Dieselbe grundsätzliche Technologie, die Sie beim BST für die Herstellung anwenden, die wenden Sie auch bei allen anderen Proteinprodukten an. Was wir hier gelernt haben, können wir in verwandten Bereichen sehr gut anwenden. Die Forschungsgelder sind also auf keinen Fall in den Sand gesetzt. Nun scheinen Sie sich der BST– Lizenzen ja auch ziemlich sicher zu sein. In Österreich haben Sie eine Produktionsstätte schon fix und fertig. Ist das nicht etwas voreilig? Das ist sehr einfach zu erklären: Beim US–amerikanischen Zulassungsverfahren müssen Sie eine Fabrik haben, bevor Sie überhaupt den Antrag einreichen, nicht umgekehrt. Wir haben vor, in den USA die Zulassung zu beantragen. Dafür brauchen wir Proto– Produkte aus einer kommerziellen Anlage, nicht aus einer Pilotanlage. Eine Pilotanlage fürs Erste wäre für uns natürlich besser, aber in den USA - und in einigen anderen Ländern - sind die Bestimmungen eben so. Warum wurde diese Anlage ausgerechnet in Österreich erWie brauchen zur kommerziellen BST–Herstellung, genau wie beim Penizillin, die Fermentation. Monsanto stellt die Rohstoffe für verschiedene Arzneimittel her, hat aber keinerlei Erfahrung in der Fermentationstechnik. Wir haben uns auf der ganzen Welt umgeschaut. Wir haben mit vielen Firmen geredet. Die österreichische Firma Bio–Chemie, die der Basler Firma Sandoz gehört, ist eine der führenden Hersteller von Penizillin. Die hat enorme Erfahrung und produktionstechnisches know how auf dem Gebiet der Fermentation - und natürlich die Anlagen. Wir sind mit dieser Firma gut klargekommen. Brauchen Sie keine BST–Zulassung in Österreich, bevor Sie es dort produzieren? Nein, die brauchen Sie nicht. Die brauchen Sie fast in keinem Land. Sie könnten BST auch in Deutschland produzieren und dann exportieren. Sie müssen natürlich die Herstellungsvorschriften der jeweiligen Länder beachten und befolgen. Aber ob das Mittel in dem Land registriert ist, spielt für die Herstellung für den Export oft keine Rolle. Die Fabrik hätte auch in den USA gebaut werden können. Wir müssen gegenüber den österreichischen Behörden - was die Produktion angeht - nachweisen, daß die Fabrik alle Auflagen erfüllt. Das können Sie eben nur, wenn die Fabrik mal arbeitet. Interview: Thomas Scheuer