Diskussion verboten?

■ Polizei fordert, Gentechnologieveranstaltung zu verbieten

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Gentechnologie als „anschlagsrelevantes Thema“. Das Polizeipräsidium Mittelfranken nimmt die kurz nach der Verhaftung von Ingrid Strobl und Ulla Penselin am 18.12.87 gebildete Wortschöpfung der Bundesanwaltschaft ernst und rät dem Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, eine Informationsveranstaltung heute abend im KOMM zu verbieten. Auf Einladung des KOMM–Bildungsbereiches und der taz–Nürnberg sollen der Hamburger Molekularbiologe Ludger Weß über die möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen der Gentechnologie und tazzler Oliver Tolmein über die Geschichte des Paragraphen 129a auch im Zusammenhang mit Kritik an der Gentechnologie referieren. Doch schon allein „die Thematik der Veranstaltung“, so der Leitende Polizeidirektor Ziegenaus, zeige auf, „daß nicht nur die Problematik der Gentechnologie, sondern darüber hinaus Formen des Widerstands erörtert werden sollen“. Es sei daher damit zu rechnen, daß auch „Aktionsformen wie Brand– und Sprengstoffanschläge abgehandelt werden“. Daß schon eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Gentechnologie, Solidaritäts– und Informationsveranstaltungen zu Ingrid Strobl und Ulla Penselin als Verdachtsgrund ausreichen, führt die Polizei in ihrem Schreiben an den Nürnberger OB Schönlein aus. Der „Tatbestand“: Derartige Veranstaltungen würden „Planungen im Bereich der Gen– und Biotechnologie einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen“ und „die verschiedenen Protestbewegungen zusammenführen“. „Vergleichbare Veranstaltungen hätten gezeigt, daß die sogenannte alternative Szene jede Gelegenheit nutzt, um die Durchsetzung ihrer Ziele durch die Begehung von Straftaten zu fordern.“ Das für das Versammlungsgesetz zuständige Nürnberger Ordnungsamt kann sich dieser polizeilichen Logik nicht anschließen. In einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Bezirksregierung von Mittelfranken sah man keinerlei Anhaltspunkte, die ein Vorgehen gegen die Veranstaltung im KOMM rechtfertigen würden. K O M M E N T A R